Der Turm von Zanid
dass keiner gesehen hatte, wie der Fabrikant ihn über das Geländer geworfen hatte:
»Bei der Nase Tyazans, wie seid Ihr da bloß hineingefallen?« – »Hattet Ihr einen über den Durst getrunken?« – »Ach was, er tötet wilde Tiere zu seinem Vergnügen!«
Fallon wurde klar, dass er dem Geldgießer nichts anhaben konnte. Wenn er ihn beschuldigte, würde nur Aussage gegen Aussage stehen.
Einige Stunden und zahlreiche Drinks später fand Fallon sich zusammen mit zwei Zechkumpanen in einem heimwärts schaukelnden Khizun wieder, abgeschlafft im Sitz lümmelnd und zum Sechsertakt-Hufgetrappel der Ayas wüste Sauflieder grölend. Die beiden anderen stiegen vor ihm aus, da keiner in den ärmeren Bezirken im Westen der Stadt wohnte. Das bedeutete, dass er das Fahrgeld für die anderen mitbezahlen musste. Doch bei dem vielen Geld, das sie für ihn gesammelt hatten …
Wo zum Hishkak war dieses Geld überhaupt? Dann fiel ihm vage eine Reihe wilder Würfelspiele und eine längere Gewinnsträhne ein, in deren Verlauf er es kurzzeitig auf sage und schreibe dreißigtausend Karda gebracht hatte. Doch dann, entsann er sich jetzt wieder, hatte die wankelmütige Da’vi, die varastische Glücksgöttin, ihn im Stich gelassen, und bald war er wieder bei der Summe angelangt, die er bei seiner Ankunft in Kastambangs Haus bei sich gehabt hatte.
Er stöhnte auf. Würde er es denn nie lernen? Mit dem kleinen Vermögen, das er sich zusammengespielt hatte, hätte er den Staub Balhibs von seinen Stiefeln schütteln, den Safq Safq sein lassen und sich in Majbur genügend Söldner anwerben können, um Zamba zurückzuerobern. Dann hätten Mjipa, Qais und Fredro allein zusehen können, wie sie das Problem mit dem Safq lösten. Aber jetzt war eben wieder alles beim alten.
Ein weiterer, nicht minder schrecklicher Gedanke durchfuhr ihn: Bei all der Aufregung, die der Abend mit sich gebracht hatte (erst das Abenteuer mit dem Yeki, dann die Kneipenorgie mit dem verspielten Vermögen), hatte er völlig vergessen, auf die Uhr zu schauen, und überhaupt nicht mehr an Gazi und ihre Verabredung mit Kodaq gedacht. Bestimmt waren sie längst wieder zurück – und welche Ausrede sollte er anbieten? Er fasste sich an den brummenden Kopf. Zweifelsohne stank er wie eine Schnapsbrennerei. Nun ja, wenn alle Stricke rissen, konnte er es natürlich immer noch mit der Wahrheit probieren.
Sein Geist, normalerweise ungeheuer erfinderisch, was Entschuldigungen und Ausflüchte betraf, schien wie gelähmt. Wie wär’s denn hiermit: ›Kurz, nachdem ihr weg wart, kamen meine Freunde Gargan und Weems auf einen Sprung vorbei, um zu sehen, wie es mir geht; zu dem Zeitpunkt fühlte ich mich schon wieder so gut, dass ich mich überreden ließ, mit ihnen zu Savaichs Kneipe zu gehen, und kaum bin ich da, fängt mein Magen wieder an zu rebellieren …‹
Sie würde ihm zwar kein Wort glauben, aber was Besseres fiel ihm in seinem Zustand nicht ein. Gleich darauf hielt der Khizun vor seiner Tür. Während er bezahlte, ließ er den Blick über die schäbige Fassade schweifen, die im Mondlicht nicht ganz so abstoßend aussah wie bei Tageslicht. Nirgends war Licht zu sehen. Entweder war Gazi längst im Bett, oder …
Als Fallon hineinging, sagte ihm ein Gefühl, dass das Haus leer war. Und sein Instinkt hatte ihn nicht betrogen. Nicht mal eine Nachricht hatte Gazi hinterlassen.
Er stolperte die Treppe hinauf, entledigte sich seines Schwerts und der Stiefel, warf sich auf das Bett und fiel in einen unruhigen Schlaf.
10
A nthony Fallon erwachte steif und wie gerädert, mit einem ekelhaften Geschmack im Mund. Sein Nacken fühlte sich an, als hätte er durch den Sturz in die Raubtiergrube einen Knick abbekommen. Ganz allmählich, während er sich sammelte und seine Gedanken sortierte, kam ihm wieder zu Bewusstsein, dass Gazi noch nicht zurück gewesen war … .
Wo war sie jetzt?
Er setzte sich auf und rief ihren Namen. Keine Antwort.
Fallon schwang die Beine über die Bettkante und blieb einen Moment sitzen. Ein leichtes Schwindelgefühl stieg in ihm hoch. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und drehte den Kopf hin und her, um die Verspannung in dem schmerzenden Nacken zu lockern. Dann stand er vorsichtig, noch ein wenig wackelig, auf und begann das Haus zu durchsuchen. Immer noch keine Spur von Gazi. Sie war nicht nur verschwunden, sie hatte auch ihre Kleider und ihre paar Habseligkeiten mitgenommen.
Während er sich mit zitternden Händen das Frühstück
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