Der Turm von Zanid
warten – unser Projekt nicht. Mein Schneider wird den ganzen Tag brauchen, um die Gewänder anzufertigen. Außerdem findet morgen das einzige Volle Ritual des Yesht innerhalb der nächsten drei Zehn-Nächte statt. Das hängt mit irgendwelchen astrologischen Konjunktionen zusammen. Und das Große Ritual ist das einzige, bei dem so viele Priester anwesend sind, dass wir uns unbemerkt unter sie mischen können. Wenn wir die Sache erfolgreich zu Ende bringen wollen, kommen wir um morgen Abend nicht herum.«
»Nun ja, gutt, gutt. Warten Sie, ich hole äben meinen Mantel.«
Sie verließen das ’Avrud Terrao oder Terraner-Hotel und gingen zu Fuß zum Etablissement von Ve’qir, dem Exklusivausstatter. Fallon nahm Ve’qir beiseite und fragte: »Ihr seid doch Bakhit, nicht wahr?«
»Ganz recht, Meister Antane. Warum fragt Ihr?«
»Ich wollte nur noch einmal sichergehen, dass Ihr keine religiösen Bedenken haben werdet, meinen Auftrag auszuführen.«
»Bei Qarars Keule, das klingt aber sehr geheimnisvoll, mein Herr! Was für ein Auftrag ist das denn?«
»Zwei Priesterroben des Yesht-Kults, dritter Rang …«
»Wie? Seid ihr Heiden etwa zur Priesterschaft zugelassen worden?«
»Nein, aber die Roben möchten wir trotzdem.«
»O weh, mein guter Herr! Wenn das ruchbar werden sollte … Ihr versteht … ich habe viele Kunden unter den Yeshtiten …«
»Keine Angst, es wird nicht herauskommen. Aber Ihr müsst sie eigenhändig anfertigen, und vor allem muss es schnell geschehen.«
Der Couturier drehte und wand sich, doch schließlich hatte Fallon ihn herumgekriegt.
Den größten Teil des Vormittags verbrachten sie im Hinterzimmer des Ateliers mit Maßnehmen und Anprobieren. Das Anpassen erwies sich als nicht sonderlich schwierig, da die losen zeltähnlichen Roben, die der Yesht-Kult seiner Priesterschaft vorschrieb, nur annähernd passen mussten. Ye’qir versprach, die Roben bis zum Mittag des nächsten Tages fertig zu stellen. Danach trennten sich Fredro und Fallon wieder. Der erstere kehrte ins ’Avrud Terrao zurück, um an seinem Artikel weiterzuschreiben.
Bevor sich ihre Wege trennten, sagte Fallon: »Von Ihrem Bart werden Sie sich auch trennen müssen, alter Freund.«
»Ich soll meinen kleinen Bart abrasieren? Niemals! Diesen Bart ich habe schon auf finf värschiedenen Planäten gärragen! Ich habe ein Rächt darauf …«
Fallon zuckte die Achseln. »Ganz, wie Sie wollen. Aber dann können Sie nicht als Krishnaner durchgehen. Die haben nämlich so gut wie keine Gesichtsbehaarung.«
Fredro gab widerwillig nach, und sie vereinbarten, sich am nächsten Morgen wiederzutreffen, um die Roben abzuholen und dann in Fallons Wohnung das Ritual zu proben.
In Gedanken versunken, kehrte Fallon in den Juru zurück, wo er zu Mittag aß. Dann ging er nach Hause. Schon von weitem sah er den kleinen hölzernen Pfeil, der an einer Schnur an der Türklinke hing.
Mit missmutigem Brummen nahm Fallon das Ding ab. Der Pfeil bedeutete, dass noch am selben Abend ein Treffen aller Angehörigen der Juru-Kompanie in der Rüstkammer stattfand. Mit Sicherheit hing dieses Treffen mit der drohenden Invasionsgefahr aus Qaath zusammen.
Hauptmann Kordaq musterte die versammelte Juru-Kompanie: zweihundertsiebzehn Organismen an der Zahl. Etwa die Hälfte davon waren Krishnaner; der Rest setzte sich aus Erdenmenschen, Thothianern, Osirern und diversen anderen Rassen zusammen.
Er räusperte sich und hub an: »Zweifelsohne habt auch ihr die Gerüchte vernommen, welche seit geraumer Zeit um die Qaath-Frage schwirren wie Chidebs um einen verwesenden Kadaver, und gewiss habt ihr auch schon vermutet, dass ihr aus diesem Grund hierher beordert worden seid. Nun, ich will eure Vermutung nicht enttäuschen: Das ist in der Tat der Grund. Und wiewohl ich nur ein einfacher und wortkarger Soldat bin, will ich versuchen, die Ursachen dieses Konflikts mit wenigen Worten zu umreißen.
Wie ihr alle wisst – und wie sich einige von euch aus persönlicher und schmerzlicher Erfahrung erinnern werden –, ist es erst sieben Jahre her, seit der Kamuran von Qaath (möge Dupulan ihn unter einem Haufen Dreck begraben!) uns bei Tajrosh schlug und unsere Krieger in alle Winde zerstreute. Diese Schlacht beraubte uns der Herrschaft über das Pandrat von Jo’ol, welches bis dahin als Pufferzone zwischen uns und den wilden Steppenbewohnern gedient hatte. Ghuurs berittene Bogenschützen schwärmten über das Land wie eine Zi’dam-Plage, und Ghuur selbst nahm die
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