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Der Turm von Zanid

Titel: Der Turm von Zanid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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Augenblick überlagerte. Ein zweiter Krishnaner trug eine Art Harfe, ein dritter einen kleinen Kupfergong. Einige waren mit Goldtressen und Juwelen beladen und trugen reichverzierte Stäbe mit Kultsymbolen an der Spitze.
    Und Fallon konnte ein verblüfftes Zusammenzucken nicht unterdrücken, als zwei vorübergingen, die zwischen sich, an einem Metallhalsband, an dem vorn und hinten Ketten befestigt waren, eine nackte Krishnanerin mit auf dem Rücken gefesselten Händen führten.
    Trotz des trüben Lichts und obwohl er die Frau nur ganz kurz gesehen hatte, glaubte Fredro, dass es sich um eine der kleinwüchsigen, blaßhäutigen, kurzschwänzigen Wilden handelte, wie sie in dem großen Waldgürtel östlich von Katai-Jhogorai, jenseits der Drei Meere, beheimatet waren. Die westlichen Krishnaner hatten nur sehr dürftige Kenntnisse von diesen Regionen, bis auf die Tatsache, dass die Waldbewohner lange Zeit den Großteil des Sklavenbedarfs der Varasto-Nationen gedeckte hatten. Die meisten Krishnanervölker waren nämlich zu stolz, zu eigensinnig und zu händelsüchtig, um gute Sklaven abzugeben. Lieber ermordeten sie ihre Herren, als dass sie sich für sie abrackerten, auch wenn es sie selbst das Leben kostete.
    Aber die furchtsamen kleinen Waldmenschen aus Jaega und Aurus wurden noch immer geraubt und in den westlichen Häfen der Drei Meere zum Verkauf angeboten, auch wenn dieses Gewerbe seit der erfolgreichen Vertreibung der Sunqar-Piraten so ziemlich zum Erliegen gekommen war.
    Doch Fallon hatte jetzt keine Zeit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was die Yeshtiten mit der Waldfrau vorhatten. Denn abermals läutete die Glocke, und die Würdenträger formierten sich an der Spitze des Zuges zu einer feierlichen Prozession. Der Harfenist und der Gongträger begannen musikalische Geräusche zu produzieren. Die Riege bewegte sich in einem würdevollerhabenen Schlurf schritt vorwärts, der in krassem Gegensatz zum vorherigen unfeierlichen Hasten stand. Während des Gehens stimmten sie einen klagenden, düsteren Gesang an. Fallon konnte indes den Text nicht verstehen, da die Priester in Varastou sangen – einer toten Sprache, aus der das Balhibou, das Gozashtando, das Qiribou und die anderen Idiome der Varasto-Völker hervorgegangen waren, die die Länder westlich der Drei Meere bewohnten.

 
14
     
    U nter düsterem Gesang wallte die Priesterschar durch die Umkleidekabine und passierte eine Tür, die in den Außengang der Kapelle führte. Angeführt von den Oberpriestern und den Musikanten, schritten sie den rechten Außengang hinunter in den rückwärtigen Teil der Kapelle, durchquerten diesen und marschierten auf der anderen Seite wieder nach vorn. Fallon ließ seine Blicke unauffällig über den Innenschmuck schweifen: reich, alt und phantastisch verziert. Immer wieder tauchte die Safq-Muschel als das Hauptsymbol des Kults auf. Ein um das Kapitell von einer der Säulen errichtetes Gerüst zeigte, wo die Priester gerade die Vergoldungen restaurierten.
    Rings um das obere Mauerdrittel verlief die große Mosaikdarstellung des Yesht-Mythos. Aufgrund der Informationen, die er von Liyara bekommen hatte, konnte Fallon sich einen Reim auf die Bilder machen. Der Gott war im Pantheon der Varasto-Nationen ein einfacher Erdgott gewesen, den die Varasto-Völker von den Kalwmianern übernommen hatten, als sie deren Reich überrannten und zerstört hatten. In den letzten Jahrhunderten jedoch hatten die Yesht-Priester wie auch die des Bakh, des varastischen Himmelsgottes, in Balhib henotheistische Tendenzen entwickelt: Jeder der beiden Kulte versuchte seither, eine religiöse Monopolstellung zu erreichen, statt wie in den guten alten Zeiten des Polytheismus in Balhib das Prinzip des Leben und Lebenslassens zu pflegen. Bis heute war in diesem Ringen den Bakhiten der größere Erfolg beschieden gewesen, da es ihnen stets gelungen war, das Herrscherhaus zu Ihren Anhängern zu zählen, und sie außerdem niemals müde geworden waren zu versichern, dass Yesht überhaupt kein Gott wäre, sondern ein scheußlicher Dämon, der mit obszönen Riten von den geschwänzten Rassen verehrt worden wäre, die die Länder der Drei Meere durchstreift hatten, bevor die schwanzlosen Krishnaner viele Jahrtausende zuvor das Land besiedelt hatten.
    Nach dem geltenden kanonischen Mythos des Yesht war der Gott in Gestalt eines Sterblichen, Kharaj, zur Zeit des präkalwmianischen Königreichs von Ruakh zu den Krishnanern herabgestiegen und hatte zu ihnen

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