Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Turm von Zanid

Titel: Der Turm von Zanid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
Vom Netzwerk:
Yesht-Kharaj dar. Als der Hohepriester berichtete, wie einer der Knaben die Worte des Yesht mit frechen Widerworten angezweifelt und Kharaj verspottet hatte, woraufhin der Gott den Finger gegen ihn ausgestreckt und ihn kraft seiner göttlichen Macht tot zu Boden geschmettert hatte, da stürzte auch prompt an der Stelle einer der prunkvoll gewandeten Priester mit einem überzeugend dumpfen Aufprall zu Boden.
    Als nächstes illustrierte die Pantomime die intimen Einzelheiten der Jugend des Kharaj, unter der unfreiwilligen Mitwirkung der Gefangenen, die die Rolle des Gottes übernehmen mussten, als sein grausamer Foltertod geschildert wurde. Die Augen der Krishnaner, egal ob Priester oder Laie, glänzten bei diesem Schauspiel. Fallon musste seinen Blick abwenden. Neben sich hörte er slawische Murmellaute von Fredro.
    Anthony Fallon war kein Mann von hohem Charakter. Aber obwohl er selbst für ein gewisses Maß an Tod und Vernichtung verantwortlich war, das er im Lauf seiner Abenteuer auf sich geladen hatte, war er nicht mutwillig grausam. Im großen und ganzen mochte er die Krishnaner – bis auf diesen sadistischen Zug, der (wiewohl im allgemeinen nicht offen sichtbar) bei Anlässen wie diesem Folterritual an die Oberfläche brach.
    Trotz seiner Bemühungen, eine Haltung zynischer Objektivität zu bewahren, ertappte er sich jetzt dabei, wie er in ohnmächtiger Wut mit den Zähnen knirschte und die Fingernägel in die Handfläche grub. Mit Wonne hätte er in diesem Moment, wenn er gekonnt hätte, den Safq mitsamt dem ganzen darin befindlichen Priester- und Gläubigenpack in die Luft gejagt, wie es schon der unsägliche Wagner vorgeschlagen hatte. Hatten Mjipas verschollene Terraner auch auf diesem blutigen Altar geendet? Fallon, der die Bakhiten auch nicht besonders sympathisch fand, hatte ihren Beschuldigungen gegen die Yeshtiten lange Zeit mit Skepsis gegenübergestanden und sie eher geschäftlicher Konkurrenz zugeschrieben. Doch jetzt zeigte es sich, dass die Bakh-Priester gewusst hatten, wovon sie sprachen.
    »Cool bleiben«, flüsterte er Fredro zu. »Wir müssen so tun, als ob uns das Spaß macht.«
    Der Hohepriester stimmte jetzt erneut eine Hymne an, während der eine Kollekte durchgeführt wurde. Es folgten noch mehrere Gebete und Segenserteilugen, dann stieg der Hohepriester von seiner Kanzel herab und führte die Priester unter monotonem Singsang denselben Weg wieder zurück, den sie gekommen waren. Als Fallon und Fredro mit der priesterlichen Prozession die Umkleidekabine erreichten, hörte Fallon, wie sich die Gemeinde unter allgemeinem Füßescharren erhob und zum Ausgang strebte, wo das Klimpern von Münzen von der Durchführung einer weiteren Kollekte kündete. Dem Beispiel der echten Priester folgend, warf Fallon seinen Umhang auf den Tisch und schlenderte dann mit Fredro hinaus, immer noch erschüttert von dem, was er soeben mitbekommen hatte.
    Die unerklärlichen Geräusche drangen jetzt, da das Singen und das Predigen verstummt waren, das sie vorhin noch übertönt hatte, wieder deutlicher an Fallons Ohr. Die anderen Priester standen entweder in Gruppen beisammen und unterhielten sich oder machten sich auf den Heimweg. Fallon wandte den Blick zu dem Gang hin, der entlang der Außenmauer des Gebäudes verlief.
    Fredro und er folgten diesem gebogenen Gang. Über den Eingängen auf der linken Seite entdeckte Fredro eine Reihe von Inschriften, die sofort seine Neugier als Forscher erweckten.
    »Sieht aus wie präkalwmianische Sprache«, flüsterte er hingerissen. »Einige davon ich kann entziffern. Warten Sie, ich muss sie abschreiben …«
    »Aber nicht jetzt!« zischelte Fallon. »Können Sie sich nicht vorstellen, was diese Burschen denken, wenn sie Sie dabei ertappen? Wenn sie uns erwischen, dann blüht uns das gleiche wie der Waldfrau.«
    Ein paar der Türen standen offen und gaben den Blick ins Innere verschiedener Räume frei, die den Priestern als Archiv oder Verwaltungsräume dienten. Aus einer der Türen drangen Küchengerüche.
    Während des Gehens bemerkte Fallon, dass die Wände des Gebäudes von enormer Dicke waren, so dass die Gänge und Räume eher wie Höhlen und Korridore wirkten, die in eine feste Masse getrieben worden waren – wie bei einem Maulwurfsbau – als durch Trennwände abgeteilte Zellen.
    Bis jetzt hatte noch niemand die beiden Erdenmenschen aufgehalten oder angesprochen, als sie der sanften Biegung des Ganges bis zu jener Treppe folgten, zu der Fallon gelangen wollte.

Weitere Kostenlose Bücher