Der Turm von Zanid
die befestigten Städte konnten die Qaathianer mit Kavallerie allein nicht nehmen, und Belagerungsmaschinen an Ort und Stelle zu bauen, war kaum möglich in einem Land, das so arm an Bäumen war, dass die wenigen existierenden hatten importiert werden müssen und nur mit künstlicher Bewässerung am Leben erhalten werden konnten.
All dies wusste Fallon entweder durch Gerüchte, oder er hatte es sich anhand seiner früheren militärischen Erfahrungen zusammengereimt. Jetzt drang an seine Ohren das Knarren und Quietschen von Nachschubkarren, das Schnauben von Reittieren, das Gehämmer von Schmieden, die irgendwas reparierten, die schrillen Schreie einer zigeunerähnlichen Gahevonasippe, die die Armee als Schlachtenbummler begleitete, und das Krachen von Musketen, die ihre kärglich bemessene Tagesration an Kugeln und Pulver verknallten. In den sechs Tagen seit ihrem Abmarsch von Zanid hatte die Juru-Kompanie eine gewisse Grundfertigkeit im Umgang mit ihrer neuen Waffe erlangt. Die meisten schafften es inzwischen immerhin, eine mannshohe Zielscheibe auf zwanzig Schritt Entfernung einigermaßen sicher zu treffen.
Bisher hatte es zwei Tote und fünf Verwundete (vier davon schwer) bei Übungsschießunfällen gegeben. Einem war die Muskete in der Hand explodiert, entweder als Ergebnis falscher Handhabung oder aufgrund einer Doppelladung; der andere war auf dem Schießplatz von einem Musketier erschossen worden, der nicht aufgepasst hatte, wohin er zielte. Bei allen sieben Unfallopfern handelte es sich um Krishnaner. Die Nichtkrishnaner waren vorsichtiger oder ganz einfach vertrauter im Umgang mit Feuerwaffen.
Eine Staubwolke tauchte jetzt über der Prärie auf, ungefähr an der Stelle, wo die Straße nach Westen verlaufen musste. Sie wurde rasch größer, und wenig später tauchte aus ihr ein Reiter auf einem Aya auf, der das Pech hatte, dass der Staub, den er aufwirbelte, vom Rückenwind in derselben Geschwindigkeit, in der er ritt, hinter ihm hergetrieben wurde. Fallon sah den Burschen ins Lager galoppieren und zwischen den Zelten verschwinden. Dies war nichts Ungewöhnliches – ständig kamen irgendwelche Meldereiter; aber Fallon wusste, dass früher oder später eine solche Ankunft hektische Betriebsamkeit auslösen würde.
Seine Ahnung hatte ihn nicht betrogen, denn gleich darauf erscholl ein Trompetentusch, Reiter sprengten davon, und wenig später sah er die Musketiere über die Anhöhe ins Lager zurückmarschieren. Sofort ging auch er dorthin, wo die Standarte der Juru-Kompanie inmitten der Zelte flatterte. Die Angehörigen der Kompanie waren dabei, Schwerter zu schärfen, Helme zu putzen und ölgetränkte Lappen in die Musketenläufe zu stopfen.
Als Fallon ankam, schlug der kleine Trommler – ein kurzschwänziger Freigelassener aus dem Wald von Jaega – das Signal zum Antreten. Mit viel Geklapper und Geklirr und hastigem Zusammenraffen der Ausrüstung nahm die Kompanie Aufstellung. Fallon war fast der erste der dritten Abteilung, der an seinem Platz stand.
Schließlich hatten alle ihre Plätze eingenommen – bis auf einige wenige. Fluchend schickte Kordaq Cisasa zu den Zelten der Gavehona, um dort nach den Fehlenden zu suchen.
Inzwischen galoppierte eine Abteilung Kavallerie die Straße nach Westen entlang, ein Seil hinter sich herziehend, an dessen Ende ein Raketengleiter befestigt war. Chabarian hatte eine Anzahl dieser primitiven Flugapparate mitsamt ihren Piloten von Sotaspé für Aufklärungsflüge ausgeliehen. Der Gleiter stieg gleich darauf auf wie ein Flugdrachen. Sobald der Pilot einen Aufwind entdeckt hatte, warf er das Zugseil los und zündete die erste seiner Raketen (eine Art Feuerwerkskörper, dessen Füllung aus den Sporen der Yasuvar-Pflanze bestand und dessen Rückstoß den Gleiter eine kurze Zeit vorwärtstrieb).
Und dann stand die Juru-Kompanie und wartete und wartete. Cisasa kam mit den noch fehlenden Männern. Krishnaner auf Ayas galoppierten hin und her und überbrachten Meldungen. Offiziere, deren vergoldete Brustpanzer im hellen Sonnenlicht blitzten, konferierten außer Hörweite der Truppe. Zwei der Kompanien der Bürgerwehr von Zanid mussten ausschwenken und marschierten an der Front der Truppe entlang zum linken Flügel, um diesen zu verstärken.
Fallon, der gelangweilt auf seiner Muskete lehnte, dachte wehmütig daran, dass alles anders gewesen war, als er selbst noch ein Heer befehligt und im Zentrum der Entscheidungen gestanden hatte. Er hatte seine militärische Karriere
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