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Der Turm

Der Turm

Titel: Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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du’s bist! Ich will mir nicht nachsagen lassen, daß ich auf der Hochzeit meiner Tochter geknausert hätte.«
    »Nee, ä Geizkra-chn bisde ni’ gewäsn, mußsch zugähm. Wie lange hast’n gebraucht, um das alles ranzuschaffen, hä? Womit hast’n die Brieder geschmiert, die Malefiezkärle? Hast wohl paar Maddrazzenfädern schbringn lassn? Awwer du drickst disch dor schonne widder, mei Uli, du länkst dor schonne widder ab. Isch gloowe ni’, daß dor Ongel Schuhrah das guhdheißn däde, der völgerfreund-lische Gnagger. Nu awwer ma här mit dähm Rä-zäppd für das Wässerschn. Iebrischns, Meesder«, Helmut Hoppe wandte sich an Herrn Honich, »is’ Ihr Schban-färgelschn gans grose Glasse, gönnt misch direkt dran fäddfressn gönnt isch misch.« »Also. Du nimmst Sprit, sechsundneunzigprozentig, den gießt du mit destilliertem Wasser nach der gewünschten Menge zusammen. Dazu ein Stück Würfelzucker und drei Tropfen reines Glyzerin. Flasche schließen.«
    »Das is’ alles?«
    »Weiter im Frühling gepflückte Blätter von schwarzen Johannisbeeren.«
    »Wieso im Frieh-ling gepflickt?«
    »Weil sie dann voller Saft stehen, nehme ich an. Du tust sie in eine kleine Flasche mit reinem Alkohol. Flasche zumachen und zehn Tage in der Sonnenwärme am Fenster stehenlassen.«
    »Und wenn’s nu zehn Ta-che regnen duhd? Dann is’ wo Ess’sch?« »Von diesem Extrakt gibst du drei Tropfen in die große Flasche.«
    »Drei Drobben blos? Glingt ä bissel aggubunkturell, wennde misch fra-chst. Un’ dann?«
    »Ist der Wodka färdsch.«
    »Färdsch?«
    »Färdsch.«
    »Gloobsch ni’.«
    »Doch.«
    »So rischdsch färdsch?«
    »Nu.«
    Helmut Hoppe betrachtete sein Glas. »Nu ja, jezz, wodes sa-chst, schmecksch direkt ä paar Johannisbärn dursch. Habbder die Weizsägger-Räde gehört?«
    »Nee.«
    »Awwer ich.«
    »Und?«
    »Nu. Mehr wie drei Drobben Johannisbärn drinne. Ä feiner Mann, ä rischdscher Bundespräser ähm. Där machd was här, ni’ so wie unsre Na-bopps. Isch bin ja ma’ geschbannt, wie das in dor Soff-jettunjohn weidergäht. Jezz dürfense ja nischema mähr in de Johannisbärn, gewissermasn. Dei Ongel Schuh-rah nibbt jezz am Wasser schdadd am Wässerschn. – Warded ma: Jezz is’ Danz.«

    Richard saß neben Niklas am anderen Ende der Tafel, hörte nur bruchstückhaft, was vorn gesprochen wurde, beobachtete Josta, die zu seiner Erleichterung weitab von Anne bei Wernsteins Kommilitonen saß, an einem Tisch unter den blütenfrischen Birnbäumen. Lucie sah sich nicht nach ihm um. Der Mann schnitt ihr Essen vor, wischte ihr den Mund ab, hob zwei-, dreimal den Zeigefinger, worauf sie den Kopf senkte und nickte. Am liebsten wäre Richard aufgestanden und hätte den Kerl niedergeschlagen, es kostete ihn größte Beherrschung, unbeteiligt zu wirken, am Weinglas zu nippen und Niklas’ Erzählungen über die Wiederwahl von Ronald Reagan, Michel Platinis Tore bei der Fußball-Europameisterschaft, das plötzliche Verschwinden von Autoreparaturlack-Spray aus den Geschäften (es hatte einen Film namens »Beat Street« gegeben, in dem Züge mit Graffiti verziert worden waren) Anteilnahme heuchelnd zu folgen. Anne warf hin und wieder einen Blick auf ihn, das erboste ihn noch mehr, und als Herr Scholze und Alois Lange witzereißend auftauchten, entschuldigte er sich und stand auf. Bewegung kam in den Garten, als die ersten Melodien vom Platz vor dem Tausendaugenhaus herüberstolperten. Als Richard in Richtung Eisentisch ging, zog ihn jemand in die Hecken. Es war Daniel.
    »Blöde Situation, was?« Der Junge grinste. Er war hochgeschossen, mit seinen vierzehn Jahren fast so groß wie Christian. »Wie wär’s mit ’nem kleinen Geschäft?«
    »Was für ein Geschäft?«
    »Na, ich stelle mich nicht hin, klopfe mit einem Löffel gegen das Glas und erzähle was von dir und meiner Mutter – dafür löhnst du mir ’nen Blauen.«
    Richard schwieg.
    »Ich mein’s ernst«, lächelte der Junge. »Ich hab’s auch wirklich drauf, zu deiner Frau zu gehen und ihr was zu flüstern.«
    »So, hast du«, Richard sah sich um.
    »Keine Angst, hier ist niemand. Außer vielleicht so ’n verdammter Kater. Deine Frau wär’ begeistert.«
    »Sie ahnt sowieso schon was«, erwiderte Richard müde und entsetzt.
    »Aber sicher bist du dir nicht? Willst du’s draufankommen lassen? Wär’ ’ne feine Sache, so ’ne Bombe mitten in ’ner Hochzeit.« »Da hat Lucie also einen Lumpen zum Bruder.«
    »He, wag’s dir, mich anzurühren! Los,

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