Der Tyrann von Hades
dieser Menschen hin. Der Bevölkerungsdruck muß erschütternde Ausmaße angenommen haben. Ich will landen und mir selbst einen Eindruck davon verschaffen.«
»Nach dem, was gerade vorgefallen ist? Wir haben sechs ihrer Schiffe abgeschossen, hast du das schon vergessen?«
»Das war ihre eigene Schuld, nicht die unsrige.« Ancor kehrte trübsinnig an das Funkgerät zurück und ging auf Sendung. »Hier ist das Mars-Schalen-Schiff Shellback auf einer Mission im Auftrag des Instituts für Solaristik. Kann mich bitte jemand mit Buren Blumin, dem Leiter von Gaveen-Lyril verbinden?«
Er zeichnete seinen Funkspruch auf Band auf, und während der Computer die Anfrage in regelmäßigen Abständen wiederholte, suchte er das gesamte Wellenband nach einer Antwort ab. Schließlich empfing er die Bestätigung eines Relaissenders, und eine halbe Stunde später drang Blumins Stimme aus dem Lautsprecher.
»Kapitän Ancor, ich bin untröstlich! Wir waren verpflichtet, Ihre Ankunft zu melden, aber wir dachten nicht einmal im Traum daran, daß man versuchen würde, Sie mit Waffengewalt aufzuhalten. Irgendein örtlicher Kommandeur muß ohne Absprache eine vorschnelle und äußerst unkluge Entscheidung getroffen haben.«
»Diese Entscheidung hat Sie sechs Schiffe gekostet.«
»Ich bin überrascht, daß die Angreifer mit derart geringen Verlusten davongekommen sind. Ein Schiff, das eine Reise wie die Ihre hinter sich hat, läuft wohl kaum Gefahr, einem gewöhnlichen Exosphärenschiff zu unterliegen. Wir haben uns einige Ihrer Holo-Bänder angesehen, und ich glaube, ich weiß jetzt, was Sie uns mitzuteilen versuchten. Nicht nur die Uranus-Schale hat ein Bevölkerungsproblem; dem übrigen Solaren Universum geht es nicht besser. Das einzige, was wir realistischerweise von dem Projekt, das mit Gaveen-Lyril begonnen hat, erwarten können, ist eine etwas längere Galgenfrist. Das eigentliche Problem bleibt ungelöst.«
»Das Institut für Solaristik wurde aus genau diesem Grund gegründet: um diese Probleme zu verstehen und zu lösen. Die Expeditionen der Shellback dienen dazu, unser Universum zu verstehen. Aber wegen dieser Auseinandersetzung fehlen uns wichtige Daten über die Außenseite der Uranus-Schale. Wir wollen landen, um unsere Aufzeichnungen zu vervollständigen, und wir wollen Garantien dafür, währenddessen nicht angegriffen zu werden.«
»Ich glaube, ich kann Ihnen noch mehr als das geben, Kapitän. Angesichts der gewaltigen Entfernungen auf der Außenseite der Schale haben die höchsten Stellen erst jetzt von Ihrer Ankunft und dem skandalösen Empfang, den man Ihnen bereitet hat, erfahren. Wir erhalten schließlich nicht jeden Tag Besuch von einer anderen Schale. Ich denke, man wird Ihnen einen Empfang bereiten, wie er wahren Helden zusteht.«
»Auf die Feierlichkeiten können wir verzichten«, sagte Ancor, »aber es wäre für uns von großem Nutzen, wenn wir Zugang zu einigen Datenbanken mit Informationen zur gesellschaftlichen Struktur auf Ihrer Schale erhalten könnten.«
»Das ist das Mindeste, was wir für Sie tun können. Ihre Ankunft zählt zu den bedeutsamsten Augenblicken unserer Geschichte. Bitte verbleiben Sie in Ihrer derzeitigen Position. Ich werde in Kürze auf derselben Frequenz wieder Kontakt mit Ihnen aufnehmen.«
Wenige Stunden später schwebte die Shellback – diesmal begleitet von einer Eskorte aus unbewaffneten Exosphärenschiffen, die respektvoll auf Abstand blieben – über einer der gewaltigen Städte der Uranus-Schale. Ancor und die übrigen waren den Anblick von riesigen urbanen Zusammenballungen gewohnt, dennoch ließ ihnen diese Stadt den Atem stocken. Sie schien nur aus Wolkenkratzern zu bestehen. Keine der enormen Nadeln aus Stahl und Glas maß weniger als anderthalb Kilometer, und der Anblick des Labyrinths aus Laufgängen und Verkehrsröhren, die sich zwischen ihnen hindurchschlängelten, ließ die Mannschaft der Shellback schwindeln.
»Was für eine gewaltige Stadt!« staunte Sine Anura.
»Und die Bevölkerungsdichte ist so hoch, daß sie sie nicht unter den Feldern erbauen konnten, wie wir es auf einigen der anderen Schalen gesehen haben. Das hat ernste Konsequenzen. Es ist nämlich nicht der Mangel an Raum, der dem Bevölkerungswachstum Grenzen setzt; man kann die Menschen einfach wie hier immer höher aufeinander stapeln. Das eigentliche Limit ist die Fähigkeit, die Strahlen der Proto-Sonnen einzufangen, um das Ökosystem in Gang zu halten. Ob es uns gefällt oder nicht,
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