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Der Tyrann von Hades

Der Tyrann von Hades

Titel: Der Tyrann von Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Kapp
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vermittelten ein düsteres Bild. Das Auswanderungsprogramm war so weit in Rückstand geraten, daß die durchschnittliche Bevölkerungsdichte auf der Uranus-Schale nun 40.000 Menschen pro Quadratkilometer betrug, das zehnfache der solaren Norm. Damit noch genug Land für die lebenswichtige Landwirtschaft blieb, konzentrierte sich der Großteil der Bevölkerung in riesigen Zusammenballungen. Dort lebten die Menschen auf derart engem Raum, daß die gesamte Fläche aller Städte mit einer siebzig Personen hohen Menschenschicht bedeckt gewesen wäre, hätte man sie nicht in kilometerhohen Wolkenkratzern untergebracht.
    Ancor schrieb eine Zwei und dann vierundzwanzig Nullen auf das Blatt vor ihm. Die Zahl bedeckte die gesamte Breite des Papiers und bezeichnete die ungefähre Bevölkerungszahl der Uranus-Schale. Jeder einzelne dieser Menschen war ein Individuum, unersetzlich und einzigartig. Das Problem des Präsidenten bestand darin, daß nur eine endliche Menge an Energie zur Verfügung stand, aber in jeder Sekunde eine Billiarde neue Münder hinzukamen. Egal, was der Präsident unternahm, das System stand am Rande des Zusammenbruchs, und Billionen Menschen würden sterben müssen, damit den übrigen eine Überlebenschance blieb.

 
Kapitel 10
     
    Dieses Mal blickte Ancor nicht zurück, als die Shellback in den Weltraum schoß. Vor seinem geistigen Auge wurde die Oberfläche der Schale bereits von den Blitzen tausender Atomexplosionen erhellt, und dieser Alptraum verfolgte ihn. Wahrscheinlich würde es nicht so kommen. Vielleicht würde das Bevölkerungswachstum durch Hungersnöte zum Stehen kommen. In welcher Form auch immer: Es stand fest, daß billionenfacher Tod die Uranus-Schale heimsuchen würde, und Ancor weinte stumm.
    Wie üblich war es Sine Anura überlassen, ihn aus seiner düsteren Stimmung zu reißen, auch wenn sie dafür ihre ganze Kunstfertigkeit auf dem Gebiet der Erotik aufwenden mußte. Später, als er ausgeglichen und erfrischt war, sagte sie zu ihm: »Das geht nicht, Maq. Du kannst dir nicht alle Sorgen und Probleme Solarias aufbürden. Aus diesem Grund hat man Zeus konstruiert – weil die Probleme die menschlichen Fähigkeiten übersteigen.«
    Er streichelte dankbar ihre leuchtendgrüne Haut und lächelte müde.
    »Ich weiß, Sine. Aber für Zeus sind wir lediglich Summen; Nummern, die er addiert, um den Soll-Zahlen gerecht zu werden. Nur ein Mensch kann erkennen, daß jeder einzelne Mensch einzigartig und wunderbar ist. Nur ein Mensch kann ermessen, was Leiden, Krieg und Hungersnot bedeuten. Zeus ist viele Millionen Male klüger als die Menschen, aber er kennt keine Gefühle.«
    »Das können wir nicht mit Sicherheit behaupten, Maq. Vielleicht empfindet er auf seine ganz eigene Art. Wenn das nicht der Fall wäre, warum sollte er dann träumen?«
    »Träumen?«
    »Die empathische Verbindung, die er mit Land-a eingeht. Der Tyrann von Hades – was immer er auch sein mag – ist eine Art von Alptraum. Dort draußen ist etwas, mit dem Zeus nicht fertig wird, und das läßt ihm keine Ruhe. Ich glaube, daß Zeus Gefühle hat.«
    »Erinnere mich daran, daß ich dir eines Tages erkläre, wie Künstliche Intelligenz funktioniert und wie wenig sie mit dem herkömmlichen menschlichen Denken gemein hat.«
    »Mir ist egal, was du sagst, Maq. Denk doch einmal an die Aberbillionen menschlichen Wesen Solanas, für die Zeus die nötigen Ressourcen bereitstellen muß. Er muß einfach ein Gefühl für seine Aufgabe haben.«
    »Im Gegenteil, er folgt lediglich den Vorgaben seiner Programmierung.«
    »Das mag früher der Fall gewesen sein, aber jetzt ist er diesen primitiven Vorgaben entwachsen. Ich glaube, daß er jetzt seinen eigenen Antrieben folgt, und diese beruhen auf… wie kann ich dir das erklären?«
    »Beruhen worauf, Sine?«
    »Ich wage kaum, es auszusprechen: auf Liebe!«
    Er lachte und küßte sie und schlief schließlich ein, ohne den Gedanken aus seinem Kopf verscheuchen zu können. Als er wieder erwachte, erschien er ihm nicht mehr im geringsten lächerlich.
    Das Institut für Solaristik hatte den Raum zwischen der Uranus- und der Neptun-Schale Nepturan-Raum getauft. Die beiden Schalen trennte ein 1,624 Milliarden Kilometer breiter Abgrund, und so tat sich vor der Shellback die bei weitem längste Etappe ihres Flugs auf. Trotz der erhöhten Raumreisegeschwindigkeit würde ihre Reise fünfundachtzig Tage in Anspruch nehmen, und die Aussicht darauf, fast drei Monate in der Enge des kleinen Schiffs zu

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