Der Tyrann von Hades
abzubringen. Schließlich brachte er das Schiff nur Zentimeter von Ancors gewünschter Position nieder, schaltete die Triebwerke ab und spürte dankbar, wie sich die Grav-Fesseln in dem soliden Grundgestein einhakten.
»Das war’s, Maq. Was immer du jetzt auch vorhast, beeil dich. Wenn der Wind wieder zulegt, werden wir ganz schöne Schwierigkeiten bekommen, hier jemals wieder herauszukommen.«
Cherry wußte nicht, ob Ancor ihn noch gehört hatte, denn er und Sine befanden sich bereits in der Schleuse. Sie waren beide in schwere Arbeitsanzüge gehüllt und trugen Seilrollen und andere Geräte und bereiteten sich darauf vor, das Schiff zu verlassen. Sie benutzten dabei die Schleuse statt der einfachen Luke, um zu verhindern, daß der wütende Sturm bei ihrem Ausstieg in die Shellback fegte. Dies mochte die sanfteste Sturmphase sein, die sie während ihres Anflugs erlebt hatten, aber es war immer noch ein Unwetter, dessen Gewalt die menschliche Vorstellungskraft überstieg.
Cherry, der fürs erste ohne Beschäftigung war, ging in die Beobachtungskuppel, von wo aus er schemenhaft erkennen konnte, wie Ancor die Schleuse verließ. Über ihnen tobte ein gigantisches Gewitter, und die vielen grellen Blitze erzeugten einen unregelmäßigen stroboskopischen Effekt; Ancor schien sich ruckhaft zu bewegen und blieb zwischen den Lichtblitzen unsichtbar. Als er den Windschatten des Schiffsrumpfs verließ, erfaßte ihn der Wind mit voller Gewalt und schleuderte ihn stolpernd und taumelnd hinter eine der Stützen des stählernen Eis. Cherrys Atem stockte und er mußte lange auf den nächsten Blitz warten, in dessen Licht er das fest gespannte Seil sah, das Ancor mit den Handgriffen an der Luke der Shellback verband. Der Mörder ging niemals unnötige Risiken ein, und seine Vorsicht hatte ihm wieder einmal das Leben gerettet.
Bald darauf erschien Sine Anura, an deren Hals ein greller Scheinwerfer und eine zweite Rolle Seil baumelte. Sie kämpfte sich an Ancors Seil entlang, rutschte häufig aus, aber es gelang ihr stets, das Gleichgewicht wiederzufinden. Schließlich verschwand auch sie hinter der Stütze.
Der Donner wurde immer lauter, und plötzliche Windböen erschütterten das Schiff trotz der Grav-Fesseln wie Hammerschläge. Cherry kehrte hastig ins Cockpit zurück und überprüfte die Instrumente. Ihm wurde schnell klar, warum das Schiff sich mit jeder Böe schüttelte: Die Grav-Fesseln arbeiteten einwandfrei, aber das Grundgestein, an dem sich das Schiff festhielt, begann wegzubröckeln.
Und auf den Ortern zeichnete sich klar das Bild eines neuen Sturms ab.
Kapitel 27
Unter der Wölbung des riesigen Eis hatte Ancor mit seinen Testreihen begonnen, doch er hatte bereits vorher erraten, was ihm jetzt die Instrumente bestätigten: Die feste Legierung, aus der die Außenwandung des Eis bestand, war nahezu einen halben Meter dick. Sie konnten das Metall mit den schweren Lasern der Shellback durchtrennen, aber der angerichtete Schaden im Innern würde enorm sein, und er wagte es nicht, das Exekutivzentrum außer Betrieb zu setzen. Es regelte immerhin die lebenserhaltenden Systeme auf diesem Teil der Schale.
Ancor hatte ein Seil um die Stütze des Eis geschlungen, um die Messungen vornehmen zu können, und war jetzt doppelt gesichert: Einmal an dem Seil, das sich von der Shellback zur Stütze spannte, und an dem Seil um die Stütze selbst. Dennoch warfen ihn die Böen, die sich unter dem Ei und neben der Shellback hindurchwanden, regelmäßig zu Boden, und nur der widerstandsfähige und gepolsterte Arbeitsanzug bewahrte ihn vor schlimmeren Verletzungen. Die Maske war ebenfalls unverzichtbar. Sie war eigentlich für die Arbeit im Vakuum oder in giftigen Atmosphären gedacht, schützte aber hier seine Lungen vor dem Winddruck, der ansonsten das Atmen erschwert oder sogar unmöglich gemacht hätte.
Er sah, wie sich Sine an der Leine heranarbeitete; der grelle Scheinwerfer, den sie um ihre Schulter geschlungen hatte, bäumte sich auf, als die Böen versuchten, ihn von seinem Traggurt abzureißen. Mehrmals warf sie der Sturm beinahe um, aber sie konnte jedesmal ihr Gleichgewicht wiedererlangen. Schließlich stolperte sie an seine Seite und hakte den Sicherungskarabiner ihres Anzugs an dem Seil um die Stütze ein. Beide waren sie jetzt völlig vom umherfliegenden Schlamm bedeckt, und die Hälfte der Zeit waren sie damit beschäftigt, ihre Helmscheiben freizuwischen.
»Hast du schon irgend etwas herausgefunden, Maq?«
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