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Der Tyrann von Hades

Der Tyrann von Hades

Titel: Der Tyrann von Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Kapp
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    Was immer auch die Meßgeräte anzeigen mochten, Ancor mußte sich eingestehen, daß Cherrys Vorsicht gerechtfertigt war. Sobald die Shellback der vollen Kraft des Sturms ausgesetzt war, wurde sie trotz ihrer leistungsfähigen Triebwerke wie ein Blatt Papier hin- und hergeworfen. Der Holo-Illusionist versuchte tapfer, das kleine Schiff in dem Sturm zu steuern, aber mehrere Male erwischten Winde, die durch Erhebungen auf der Schalenoberfläche nach oben abgelenkt wurden, die Shellback in einem ungünstigen Winkel und drohten, sie auf den Kopf zu stellen.
    Mehr als einmal dachte Ancor daran, den Landeversuch abzubrechen, aber die Tapferkeit, mit der sich Cherry der Steuerung annahm und die sich mehrenden Anzeichen dafür, daß der Wind tatsächlich nachließ, überzeugten ihn davon, daß sie eine Chance hatten, zur Oberfläche zu gelangen. Die panischen Funksprüche des lokalen Exekutivzentrums, die über die Schirme vor ihm rasten, bestätigten ihm, daß er auf die Achillesferse des Tyrannen gestoßen war, und er gedachte seinen Vorteil auszunutzen. Zumindest, solange dies für Menschen möglich war. Die Shellback konnte ein Vielfaches der gegenwärtigen Strapazen einstecken, aber für ihre vergleichsweise zerbrechliche menschliche Mannschaft war es eine Tortur von einer ganz anderen Qualität. Das Schiff wurde brutal hin- und hergerissen und wechselte unberechenbar den Kurs; Leib und Leben der Mannschaft waren bedroht. Zwar waren die meisten der Besatzungsmitglieder angeschnallt oder durch die Rettungskokons geschützt, aber selbst sie litten unter Übelkeit, als die Shellback pausenlos stieg und fiel und sich drehte, als ob sie auf den Wellen einer unvorstellbar wilden See ritt.
    Cherry ignorierte die Instrumente fast völlig und verließ sich statt dessen auf seinen Instinkt. Mehrere Male ließ er das Schiff versuchsweise fallen, um die Gewalt der Turbulenzen zu testen, und stieg dann oft wieder auf eine sichere Höhe. Auf diese Weise näherten sie sich nach und nach der Oberfläche. Sie setzten alles darauf, daß dieser Sturm abflaute und sie einige Stunden relativer Ruhe haben würden, bevor der nächste Sturm über sie hereinbrach.
    Die Shellback hatte auf ihren Reisen den verschiedensten Umweltbedingungen getrotzt, aber dieser Landeanflug durch einen atmosphärischen Sturm führte ihnen wie kein anderes Ereignis die Macht der Natur und die Zerbrechlichkeit des Menschen vor Augen. Selbst der Rumpf des Schiffs kreischte auf, als der Wind dagegenpeitschte. Das Schiff war völlig luftdicht, aber es fiel schwer, nicht zu glauben, daß der Sturm den Rumpf durchbrochen hatte und nun ächzend die verwinkelten Gänge der Shellback entlangraste.
    Selbst Ancor mußte zugestehen, daß Cherry das Exekutivzentrum auf die wirkungsvollste Art und Weise anflog. Der ängstliche Holo-Illusionist wich sofort zurück, sobald er den geringsten Hinweis darauf spürte, daß er die Herrschaft über das Schiff verlor; er war in dieser Hinsicht selbst den besten Instrumenten überlegen. Mehrmals erstarb der mit achthundert Stundenkilometer dahinrasende Wind innerhalb von Sekunden und erzeugte Unterdruckgebiete, in die die Shellback trotz des massiven Gegenschubs ihrer Triebwerke wie ein Stein fiel. Lediglich die Massenträgheit des Schiffs schwächte die abrupten Beschleunigungs- und Bremsvorgänge soweit ab, daß Menschen sie überstehen konnten.
    Der Sturm flaute langsam weiter ab, während Cherry die Shellback immer näher an die Oberfläche heransteuerte. Die oberen Atmosphäreschichten waren kristallklar gewesen, aber das änderte sich jetzt. Gewaltige Sturmwolken wurden in den Wirbel gezogen und in flatternde Fahnen aus Blei zerhackt, mit einer weißen Oberseite und einer mörderisch schwarzen Unterseite. Das Wetter spielte verrückt. Gewaltige Blitze zuckten durch den Himmel; ein direkter Treffer hätte die Shellback auf der Stelle verdampft. Außerdem hatten sie mit dem massiven Auftreten von Eis zu kämpfen. Ganze Wolken verwandelten sich unter der Wirkung plötzlicher Druckwechsel in gewaltige Schwärme fliegender Eiszapfen, die wie Gewehrkugeln gegen den Rumpf der Shellback prasselten und Schäden an den kleineren Antennen und einigen der Sensoren anrichteten.
    Dann setzte eine Flaute ein, die Windgeschwindigkeit fiel auf ungefähr dreihundert Stundenkilometer und blieb gleichmäßig. Cherry richtete das Schiff gegen den Wind und leitete den abschließenden Teil des Anflugs ein. Sie hatten großes Glück gehabt, daß

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