Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
Vom Netzwerk:
trifft.
    Peter erklärte mir, er habe sich nicht getraut, auf meinem Schreibtisch zu schreiben, also habe er die Sitzfläche des Hockers als Unterlage genutzt, um sich die zahlreichen Fragen des Controllers zu notieren. Ein Zettel sei ihm heruntergefallen. Er zog mehrere sehr kleine Zettel aus seiner Jackentasche, um mir zu zeigen, wie der vermisste aussehen sollte. Beide ließen wir uns auf die Knie nieder und suchten unter dem Schreibtisch nach dem Zettel, wir fanden nichts.
    An diesem Tag hatte ich zwei Dutzend Memory sticks aus dem Büro mitgebracht, sie lagen am Rand der Glasplatte. Ich schob sie zur Mitte, nicht, weil ich den Zettel darunter vermutete, sondern um sie vor dem Herunterfallen zu bewahren. In dem Moment, in dem ich das tat, veränderte sich Peters Augenpartie auf eine Art und Weise, die ich nicht beschreiben kann. Ich wusste nicht mehr: War das das Weiß in seinen Augen oder die Haut darum herum? Seine durchsichtigen Wimpern würden weggeweht werden, wenn man ihn anhauchte. Waren das die Pupillen oder schon die Augenbrauen?
    Schließlich fand Peter den Zettel, er hob die Schreibmaschine hoch, und darunter lag er. Schon im Flur, fasste Peter mich an der Schulter, er würde gern noch heute Nacht anfangen, die Fragen zu bearbeiten. Er habe keine Memory sticks mehr, ob er sich ein paar mit nach Hause nehmen könne. Ich sagte natürlich ja, ich dachte, er würde sich zwei oder drei nehmen, aber er steckte gleich ein Dutzend ein.
    Ich wickle den gesamten Zahlungsverkehr, in dessen Zentrum das Roboterlabor steht, von zu Hause aus ab, niemals im Büro. Am Tag danach entdeckte ich beim Vergleich von Peters und Sondras Spesenabrechnungen: Sie hatten auf einer Dienstreise ein gemeinsames Hotelzimmer bezogen.
    Ich legte mir das Geschehen am Abend unserer Einladung so zurecht: Sondra hatte Peter dazu überredet, bei unserem Essen die entsprechenden Dateien von meinem Computer herunterzuladen. Sie und nicht der Controller hatte Peter angerufen, während wir zusammensaßen. Peter wusste, ich würde es nicht überprüfen, weil ich mit den Controllern nichts zu tun haben wollte. Peter hatte am Tag mit dem Controller gesprochen und sich die Fragen sofort notiert. Im Gang sind Granitplatten ausgelegt, Peter musste hören, wenn ich mich näherte. Wäre ich gekommen, bevor er mit dem Download fertig war, er hätte einfach den Stecker herausgezogen. Ich hätte nichts bemerkt, später hätte er seine Spuren beseitigt oder versucht, den Download abzuschließen. Zwar kannte er mein Passwort nicht, aber ich weiß selbst am allerbesten, wie man diese Hürde nehmen kann. Tatsächlich war er mit dem Download fertig, kurz bevor ich eingetreten war. Den fehlenden Zettel hatte er natürlich selbst unter die Schreibmaschine geschoben. In seiner Aufregung legte er den Memory stick mit den Dateien zu den anderen und wusste nicht mehr, welcher der richtige war. Am Schluss steckte er einfach die Hälfte der Memory sticks ein und hatte Glück, der richtige war darunter.
    Als ich Peter und Sondra nach der Tagung des Kandor Clubs in dem nächtlichen Besprechungszimmer beobachtet hatte, da hatte ich dem Nichts in die Augen gesehen. Stumm und sich ennuyiert gebend, hatte es zurückgeblickt. Aber es hatte mich genarrt. Peter und Sondra waren keine weit voneinander entfernten Galaxien, sie waren sich so nahe, wie sie es nur sein konnten. Ich hatte nichts wahrgenommen.
    Was hatten sie vor, Peter und Sondra?

    Wie entmutigt, gedemütigt ich jedes Mal das Krankenhaus verlassen habe. Nie fand ich auf Anhieb dein Zimmer, nie glückte es mir, die Klinik durch den Eingang zu verlassen, durch den ich sie betreten hatte. Die einzelnen Abteilungen erstreckten sich über mehrere Gebäude und waren durch Farben gekennzeichnet. Die Farben waren Spektralfarben, aber nicht wie diese angeordnet – die violette Abteilung für Neurologie, in der du lagst, grenzte direkt an die rote Thoraxchirurgie. Zwar wusste man, in welcher Abteilung man sich aufhielt, aber man konnte nicht angeben, in welchem Gebäude man sich befand. Die Glasscheiben der Flügeltüren waren mit einem umgekehrten farbigen U bedruckt, der Tunneleffekt der auf den Kopf gestellten Us machte die Gänge lang und dunkel.
    Noch niemals hatte ich so viele Rollstühle in einer Klinik gesehen. Nicht nur in der Aufnahme und in den Wartezonen, neben jedem Lift, auf allen Gängen standen sie herum, sie gähnten vor Langeweile und schnitten Fratzen aus freudiger Erwartung, wenn sich eine Pflegekraft

Weitere Kostenlose Bücher