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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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weigerte sich rundweg – ›Catch that Rabbit‹ sei eine Plattform für Gossip und sonst gar nichts, wir würden auf nichts stoßen, was für uns nützlich sein könnte. Ich teilte Peters Einschätzung nicht, ich hielt sie für eine Ausrede. Er hatte mit Sondra verabredet, alles zu unterlassen, was ihn tiefer in die Aktivitäten des Roboterlabors verstrickte.

    Ich eilte in die Klinik, um mich dort zu verlaufen wie nie zuvor. Der Haupteingang wurde vergrößert und umgestaltet. In einer Luftschleuse lenkten mannshohe, noch nicht mit Zwischenfächern bestückte Vitrinen den Besucher ab. Die Verspiegelung erzeugte den Eindruck, als liege hinter jeder Vitrinentür ein langer dunkler Gang, dessen Boden in einem Zickzackmuster ausgeleuchtet war, das sich in der Ferne verlor. Hinter der Luftschleuse führte eine Bildschirmwand den Besucher in die Örtlichkeit ein, eine Reihe von Terminals ersetzte die Pförtnerloge. Ich gab deinen Namen ein und erhielt eine unverständliche Wegbeschreibung, die mich nicht zu deinem Zimmer, sondern in den ältesten Teil des Krankenhauses führte, der ebenfalls umgebaut wurde. Die Fassade war herausgebrochen, ein Panoramafenster sollte eingesetzt werden. Es gab keine Absperrung oder Sicherung, das Loch in der Fassade war lediglich mit einer durchsichtigen Plane verhängt, die im leichten Nachtwind gravitätisch schwang. Ich stieg auf die untere Einfassung. Die Plane war nur oben befestigt, hätte ich das Gleichgewicht verloren, ich wäre an der Plane entlanggeglitten und in die Tiefe gestürzt.
    Die grobkörnige Struktur der Plane schaltete Erde und Himmel gleich, die Bewegung der Plane erzeugte einen Halo um jeden Lichtpunkt. Alle Lichtquellen schienen zu brennen, zu lodern. Während ich verfolgte, wie zwei Flugzeuge mit ihren Positionslichtern die Einheit aus Erde und Himmel vermaßen, schaltete sich ein Kompressor auf dem Dach ein, und ich kam mir vor wie in der Kanzel eines Raumschiffs, das über einem fremden Planeten schwebte.

    Zum ersten Mal, seit ich dich im Krankenhaus besuchte, lagst du nicht im Bett. Du standest mitten im Raum, die Beine zusammengepresst, mit beiden Händen hieltest du eine Dessertschale vor dich, darin eine grünliche Flüssigkeit. Das an den Seiten offene Kliniknachthemd war heruntergerutscht und gab die Schultern frei, deine Augen waren auf die Schale gerichtet. Ich brauchte eine Zeitlang, um zu begreifen, was du tatest. Du wolltest ausprobieren, ob du still stehen konntest und ob es dir gelang, die Schale mit dem Kompott waagerecht zu halten, so dass nichts überlief.
    Du musstest bemerkt haben, dass die Tür aufgegangen war, aber du nahmst mich nicht zur Kenntnis. Reglos blieb ich stehen und wagte kaum zu atmen. Als sich meine Augen an das Funzeldunkel gewöhnt hatten – die Nachtbeleuchtung in deinem Krankenzimmer war besonders schwach –, sah ich, dein linkes Bein zitterte leicht, aber du vermochtest deinen Oberkörper und deine Oberarme ruhig zu halten. Deine Hände zitterten ebenfalls, doch gelang es dir, die Bewegung – nein, nicht zu kontrollieren, eher sie zu nutzen, aber auch das ist nicht richtig, mir fällt kein besserer Ausdruck ein. Jedenfalls brachtest du es fertig, keinen Tropfen aus der bis zum Rand gefüllten Schale zu verschütten.
    Plötzlich war es vorbei. Deine Hände zitterten ganz stark. Du musstest dich ergeben. In dem Augenblick, als die Flüssigkeit überschwappte, neigtest du die Schale nach vorn, überraschend vermochtest du das Zucken in deinen Händen noch einmal zu beherrschen. Als ob nie etwas anderes in deiner Absicht gelegen hätte, hast du den Inhalt der Schale ruhig auf den Boden gegossen. Der blaue Kunststoffboden des Krankenzimmers eine Wasseroberfläche, die grüne Flüssigkeit Gift. Du wolltest die Welt vergiften. Wer in deine Welt eintauchte, sollte in ein Monster verwandelt werden.
    In diesem Moment taumelte eine Gestalt in einem weißen Kittel und mit langen schwarzen Haaren an mir vorbei in das Zimmer hinein. Sie konnte sich nur auf den Beinen halten, indem sie sich an der Türklinke festklammerte, dabei schleuderte sie eine Schreibunterlage mit dem darauf festgeklemmten Block in den Raum.
    »Entschuldigen Sie, ich bin über meine eigenen Beine gestolpert … Ich habe in dem Bericht gelesen …«
    Die Ärztin hatte Nachtdienst, sie war mit dem Fall nicht befasst. Professor Jangor besuchte einen Kongress – nicht, dass ich seinen so kalt interessierten Blick vermisst hätte. In ständigem Kontakt mit der

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