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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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Diagnose mein Blut ebenfalls untersuchen, ich war kein Virusträger.
    Six Sigma für Ärzte  … Ich schickte Peter eine SMS mit der neuen Diagnose. Er schrieb unverzüglich zurück Das ist doch wunderbar!
    Maren, du hast nie nach dem Grund für mein besonderes Verhältnis zu Peter gefragt. Peters Mutter war mit Pfarrer Grenzfurtner verlobt. Der kommt aus einem kleinen Dorf in Oberösterreich, sein Vater, ein größerer Bauer und im Zweiten Weltkrieg Stuka-Pilot, lag in ewigem Streit mit dem einzigen Sohn. Nach dem Abitur auf einem Stiftsgymnasium trat der Sohn aus der katholischen Kirche aus und studierte protestantische Theologie. Ursprünglich wollte er den Pfarrerberuf ausüben, aber dann ging er in die USA und bewarb sich letztendlich bei D’Wolf America als Personalsachbearbeiter. Meine erste Station nach dem Studium war D’Wolf America, so haben wir uns kennengelernt. D’Wolf America wuchs atemberaubend, und Father Eric, bald nannte ihn keiner mehr anders, wurde Chief Personnel Officer. Als das Amt des Chief Compliance Officers auf Vorstandsebene eingeführt wurde, war klar, mit wem es besetzt werden musste.
    Pfarrer Grenzfurtner watschelte wie eine Ente. Er brachte es nicht fertig, auf einer geraden Linie zu gehen. Nachdem wir vertrauter miteinander geworden waren, erzählte er mir den Grund: Sein Vater hatte ihm verboten, die Arme zu Hilfe zu nehmen, als er laufen lernte. Sein Oberkörper blieb steif, mit den Armen wie an der Seite festgewachsen.
    Seine Verlobte hieß Dakota und kam aus dem Mittleren Westen, sie hatte gleichzeitig mit uns bei D’Wolf America angefangen. Wir waren oft zusammen, Dakota, Pfarrer Grenzfurtner und ich, bis sie einen Ölingenieur von Halliburton kennenlernte, den sie sofort heiratete.
    Pfarrer Grenzfurtner ging zu einem alten Schauspieler, der ihm seinen Watschelgang abgewöhnen sollte. Der Schauspielunterricht war ein durchschlagender Erfolg und hatte eine überraschende Nebenwirkung: Schon vorher hatte er gute Reden gehalten, auf einmal wurde aus ihm ein stupender Orator mit einer spektakulären Gestik.
    Ein halbes Jahr nach Dakotas Hochzeit – Pfarrer Grenzfurtner und ich waren eingeladen, ich ging hin – wurde Peter geboren. Nach einem Jahr reichte Dakota die Scheidung ein, die Firma hatte den Ölingenieur nach Abu Dhabi geschickt, er gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Dakota suchte einen Psychotherapeuten auf, der sich plötzlich entschloss, nach Hawaii zu ziehen. Sie heiratete ihn und folgte ihm. Ihr Kind interessierte sie nicht mehr, sie ließ es bei ihrem Ex-Verlobten zurück.
    Father Eric kümmerte sich aufopferungsvoll um Peter. Als Peter ins schulpflichtige Alter kam, entschied Pfarrer Grenzfurtner, er solle in einem deutschen Internat aufwachsen. Die engen Bande zwischen den beiden wurden locker.
    Ist Peters Vater vielleicht Pfarrer Grenzfurtner und nicht der Ölingenieur? Ich weiß es nicht –

    Zwei Wochen medikamentöse Therapie, und du schienst geheilt. Keine Lähmungen und keine Krämpfe mehr, weder in den Beinen noch in den Armen, keine Kopfschmerzen, keine Schlafstörungen, keine Müdigkeit während des Tages, keine Unruhe, keine Luftnot mehr. Kein zu niedriger Sauerstoffgehalt, kein zu hoher Kohlendioxidgehalt im Blut. Da wuchs etwas über den Knochen, über den Sehnen, deine Hände wurden wieder glatt.
    Du hattest sterben wollen, ohne eine Miene zu verziehen. Du ertrugst es nicht, wenn die Menschen in deiner Gegenwart interessiert ihre Köpfe hoben. Nachdem du die Klinik verlassen hattest, erlegtest du dir ein nicht minder unerbittliches Regime auf. Jäh wechseltest du in der Haltung deines Körpers und in deinem Gesichtsausdruck zwischen klassischer Grazie und gekonnt dosierter Lässigkeit. Der abrupte Übergang aus purem Gutdünken sollte jeglichen Argwohn gegen deinen Gesundheitszustand zerstreuen, er sollte für das dir unmögliche schneidende Lachen stehen, das zur Routineausstattung der fraglos Gesunden gehört.
    Ich dagegen drückte mich unentschlossen zurück in ein Leben, das mich schon abgesondert hatte. Als hätte dich ein geistesabwesender Engel gerettet, dem meine Reverenz ich dadurch glaubte erweisen zu müssen, dass ich danach strebte, ihn an Geistesabwesenheit weit zu übertreffen.
    Am Tag der Ankunft in unserem Sommerhaus hatte ein verheerendes Gewitter den Rennsteig heimgesucht. Die Vorderfront der Hütte sah aus, als habe jemand eine Maschinengewehrsalve gegen sie abgeschossen, die Schindeln an den Wänden waren abgerissen und

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