Der Überraschungsmann
Wechseln wir das Thema. Papa kommt. Er mag es nicht, wenn wir ständig von Lisa sprechen.«
»Warum darf Papa das denn nicht hören?«, fragte Paulinchen, die mit frisch gewaschenen Händen aus dem Kinderbad kam.
»Lisa, Lisa, Lisa!«, ätzte Nathan, der bis jetzt seine Bridgekarten sortiert hatte.
»Lisa, Lisa, der Lenz ist da!«, knödelte Emil. »Veronika, der Spargel wächst!«
»Sehr witzig. Arsch.«
»Also ICH vermisse Lisa jetzt schon!«
»Kinder! Ruhe jetzt! Papa kommt!«
»Warum dürfen wir nicht über Lisa reden?!« Hatte Paulinchen schon immer eine so durchdringende helle Stimme?
»Weil er möchte, dass Oma Leonore unser Lieblingsgast ist! Pssst!«
Ich wurde rot und fühlte, wie meine Hände zitterten, als Volker morgenfrisch und gut gelaunt vom Joggen zurückkam. Er umfasste mich mit einem Arm, mit dem anderen griff er nach dem Glas Orangensaft, das ich ihm reichte.
»Ist hier schon wieder nur von Lisa die Rede?«
»Nein. Blödsinn.« Ich wischte mir die Hände an einem Küchenhandtuch ab. »Wie war das Laufen?«
»Sagt mal, was HABT ihr denn nur alle mit dieser Lisa? Können wir ohne sie nicht mehr leben, oder was?« Volker schüttete durstig den Orangensaft in sich hinein.
»Sie ist eben nett«, sagte Charlotte betont gelangweilt und verdrehte genervt die Augen. »Und sie singt echt besser als die Oma.«
»Und auch die geileren Sachen.«
»Sie spielt mit uns!«, verteidigte Paulinchen sie. »Und die Oma NIE. Die will nur, dass wir ihr zuhören und Beifall klatschen.«
»Mit mir spielt sie auch«, grunzte Emil in seine Nutella semmel. »Leider nur Tischtennis.«
»Nathan ist in Lisa verkna-hallt«, sang Paulinchen.
»Quatsch!« Zu meinem großen Erstaunen wurde Nathan plötzlich knallrot. Mit seinen Bridgekarten zog er ihr eins über.
»He! Lass das, du blöder Arsch!«
»Kinder, bitte.« Für den Familienfrieden war ich zuständig! Ich stellte Paulinchen schnell ein Butterbrot vor die Nase und bat Nathan, meine Tochter nicht weiter zu schlagen.
»Habe ich dir schon erzählt, wie viel Spaß wir neulich in Hellbrunn hatten, als Lisa für die Italiener gesungen hat? Sogar die Mädchen haben mit eingestimmt«, sagte ich leichthin zu Volker. »Die Italiener haben sie fotografiert und uns für die Trapp-Familie gehalten …«
»Ist das so? Mit Lisa singen sie? Hat sie hier meine Mutter aus dem Familienkreis verdrängt?«, sagte mein Mann scharf.
»Aber nein, Volker. Deine Mutter kommt übrigens morgen, wenn ich die Salzkammergut-Tour mache.«
»Meine Mutter gehört hier immer noch zur Familie, okay? Und Lisa NICHT .« Er knallte sein leeres Glas in die Spüle. »Schon gar nicht, wenn sie hier Nathan den Kopf verdreht. Der Junge soll erst mal was leisten.«
Nathan zeigte ihm wortlos einen Vogel.
»Ja doch, Volker. Beruhige dich.«
»Die soll zu ihrem Kapitän fahren und uns in Ruhe lassen.«
»Tut sie ja! Volker! Wirklich, bitte! Setz dich zu uns. Wir wechseln das Thema.«
Mehr und mehr hatte ich das Gefühl, Lisa vor Volker verteidigen zu müssen. Sie TAT doch keinem was!
»Tut mir leid.« Volker setzte sich an den Tisch und schlug die Zeitung auf.
»Wo ist denn der Kahn?«
»Ostsee. Sie ist nach Stockholm geflogen.«
»Ich denke, der Typ umrundet Südamerika?« Volker ließ die Zeitung wieder sinken.
»Er hat die Reederei gewechselt. Wieso nennst du ihn ›Typ‹? Ich dachte, du magst Sven?«
»Offensichtlich magst DU ihn.«
Was war denn DAS jetzt wieder für ein Seitenhieb? Ich starrte ins Leere. Ich beschloss, nichts zu sagen, und presste nur die Lippen aufeinander. Irgendwas war los mit Volker. Was HATTE er denn nur? War er wirklich so merkwürdig, weil er Angst hatte, Lisa könnte Leonores Platz einnehmen? Oder schenkte ich Lisa in seinen Augen einfach zu viel Aufmerksamkeit? Sollte ich mich mehr um Volker kümmern als um Lisa? Wurde ich zu »plump vertraulich« mit ihr?
In dem Moment klingelte das Telefon.
»Das wird Leonore sein«, sagte ich fast schon erleichtert und griff nach dem Hörer.
Die Kinder stürmten so schnell in ihre Zimmer, dass es staubte.
»Da siehst du, was du angerichtet hast.« Volker verkroch sich hinter seiner Zeitung.
»Leonore?«
Eine Männerstimme meldete sich. »Hier ist Felix. Grüß dich, Barbara. Ist Volker da?«
»Oh.« Ich fuhr mir mit der Hand über die Stirn. »Er sitzt hier. Soll ich ihn dir geben?«
Volker streckte bereits die Hand nach dem Hörer aus, ohne die Zeitung sinken zu lassen.
»Hallo, altes Haus!«, brüllte er
Weitere Kostenlose Bücher