Der Überraschungsmann
traumhaft, aber sie dürfen nicht bleiben, sie müssen zurück nach …«
»… Wanne-Eickel, Bochum oder Essen … Tja.« Ich ließ mich neben ihr auf einer Treppenstufe nieder, spürte das Rauschen der Bäume, die das römische Theater umarmten, und betrachtete den steinernen Flussgott, der seit vierhundert Jahren am Beckenrand ruhte. »In Salzburg leben zu dürfen ist wohl der Sechser im Lotto.«
»Und dann noch so einen tollen Mann, tolle Kinder, ein tolles Haus haben und toll aussehen.« Lisa mied meinen Blick und konzentrierte sich wieder auf ihr Eis.
»Na ja, das mit dem Tollaussehen musst du gerade sagen …« Neidisch betrachtete ich ihre braunen, langen, schlanken Beine, die sie lässig übereinandergeschlagen hatte. Ihr knallbuntes Hängerchen ließ sie unglaublich frech und sexy aussehen. »Im Vergleich dazu wirke ich in meinem Dirndl geradezu altbacken!«
»Du siehst toll aus!«, widersprach Lisa. »Dein Mann kann sich alle zehn Finger nach dir lecken.«
Ich starrte auf meine Schuhspitzen. »Deiner doch auch!«
»Es geht uns schon schweinemäßig gut, was?« Lisa sah mich fast schuldbewusst von der Seite an. »So müsste es immer bleiben!«
»Vermisst du ihn?«
»Wen?«
»Sven natürlich.«
Lisa steckte ihren Eisstiel in die Erde und malte wilde Muster damit. »Klar. Und wie!«
»Besuch ihn doch mal!«
»Auf dem Schiff?«
»Na, wo denn sonst!«
»Willst du mich loswerden?«
»Quatsch. Lisa, ich hatte noch nie so viel Spaß mit einem Menschen wie mit dir!«
Sie hob den Blick. Als sie mich ansah, hatte sie rote Flecken auf den Wangen.
»Du magst mich richtig gern, was?« Sie glühte förmlich.
»Natürlich, Lisa! Wir ALLE lieben dich! Du bringst richtig Schwung in unsere Familie!«
Plötzlich ging ihr Atem ganz schnell. Lisa sprang auf und fuhr sich durch die Haare. »Ich werde Sven auf dem Schiff besuchen! Das ist eine wirklich gute Idee.«
Sie drehte sich einmal um ihre eigene Achse. »Jetzt in der Sommerpause muss ich auch gar nicht singen!«
»Wo ist er denn gerade?«
Sie kratzte sich an der Nase, als müsste sie nachdenken.
»Er gurkt in der Ostsee rum.«
Überrascht sagte ich: »War nicht von Südamerika die Rede?« Ich warf ihr einen fragenden Blick zu. »Vom Panamakanal und so …?«
Sie stutzte. »Ach so, das weißt du ja noch gar nicht. Er hat die Reederei gewechselt.«
»Er hat die Reederei … Aber warum denn das?«
»Sie haben ihm da wegen irgendwas Stress gemacht.« Lisa presste die Lippen aufeinander.
»Sie haben ihn entlassen?«, fragte ich entsetzt.
»Das geht in diesen Kreisen ganz schnell.«
»Aber was hat er denn angestellt? Alkohol am Steuer?« Grinsend verschränkte ich die Arme vor der Brust. »Oder beim Rückwärtseinparken die Hafenmauer geschrammt?«
»Keine Ahnung. Er hat es mir nicht gesagt. Weißt du, wir mailen uns zwar manchmal, aber so richtig kann man sich ja doch nicht unterhalten. Wenn er anruft, ist entweder die Verbindung schlecht, oder es kommt gerade einer auf die Brücke, oder es kommt ein Funkspruch rein … Ich höre das ja immer im Hintergrund.«
Ich legte den Arm um sie: »Fahr hin! Es ist wirklich wichtig für euch, dass ihr euch zwischendurch mal seht.« Ich klopfte ihr liebevoll auf den Bauch. »Und euer Töchterchen muss der glückliche Vater doch auch mal begrüßen.«
Sie schob meine Hand weg. »Kommst du ohne mich klar?«
»Natürlich! Dann muss ich halt Oma Leonore bemühen«, sagte ich. Doch insgeheim wurde mir ganz flau bei dem Gedanken.
»Ich bleib nicht lange.« Das klang so treuherzig, dass ich lachen musste.
»Lisa! Du bist mit IHM verheiratet, nicht mit UNS !« Ich hob beide Hände und gab mir Mühe, so locker wie möglich zu klingen. Volker hatte schon recht gehabt: Nicht dass sie da was verwechselte!
Lisa lehnte ihren Kopf an meine Schulter. »Aber eigentlich gehöre ich schon zu EUCH .«
»Wo ist Lisa?« Die Kinder saßen am Frühstückstisch im Garten und ließen gelangweilt die Beine baumeln.
»Ich habe sie heute Morgen schon ganz früh zum Flughafen gebracht. Schatz, wasch dir die Hände!«
»Mir ist voll fad!« Paulinchen wackelte freudlos davon. »Ohne Lisa ist hier nix los.«
»Baby! Beschäftige dich doch mal mit dir selbst!«
»Ach komm, Charlotte, du könntest doch auch mal mit ihr spielen.«
»Ich denke nicht daran. Puppen kämmen oder was?«
Emil nahm sich eine Semmel aus dem Körbchen und strich fingerdick Nutella darauf. »Wo ist unsere Süße denn hingeflogen?«
»Zu ihrem Kapitän.
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