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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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fast übermütig in den Hörer. Offensichtlich war Volker total erleichtert, dass sein alter Kumpel anrief. »Ja, das passt gut«, hörte ich ihn fröhlich sagen. »Nein, da habe ich noch nichts vor. Das wollten wir doch immer schon mal machen.«
    Ich war ehrlich gesagt auch erleichtert. Anscheinend lud sein Wandergeselle Volker gerade zum Bergsteigen ein.
    »Du, der Traunstein ist aber nicht so ohne. Welchen Steig willst du nehmen?«
    Pause. Felix redete am anderen Ende der Leitung. Ich räumte so geräuschlos wie möglich das Geschirr in die Spülmaschine.
    »Aber wenn, dann ganz früh. Ja, natürlich mit voller Kletterausrüstung. Ich hole dich morgen um fünf mit meinem Wagen ab«, sagte Volker.
    Felix ließ mich noch herzlich grüßen, danach legte Volker auf. Er faltete die Zeitung zusammen und knallte seine Serviette auf den Tisch. Dann nahm er mich in den Arm und schwenkte mich in der Küche herum. »Tut mir leid, Herzerl. Eine Woche Bergsteigen ist jetzt genau das Richtige für mich. Du schließt dich mit Leonore kurz, ja? Ich bin duschen.«

8
    A m nächsten Morgen um sieben holte ich Leonore mit dem Auto ab und hörte mir den Redeschwall an, den sie ohne Punkt und Komma von sich gab. Sie erzählte von ihren Klavierschülern, den begabten und den weniger begabten. Wie beliebt sie doch bei allen war, und wie sehr man sie bei ihrem letzten Operettenkonzert im Seniorenheim gefeiert hatte.
    »Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, wie viele Blumensträuße ich bekommen habe. Eimerweise. Solche Berge!«
    Sie machte eine ausladende Handbewegung neben mir auf dem Beifahrersitz, und ich musste mich ducken, um überhaupt noch etwas sehen zu können. Von mir bekam sie natürlich keine solchen Blumenberge. Nur ab und zu mal ein kleines Dankeschön-Blümchen. Sofort fühlte ich mich geizig, mickrig und schäbig und bekam ein ganz schlechtes Gewissen. Ich sollte mich viel mehr um Leonore kümmern. Sie war eine alte Frau und hatte doch nur noch uns! Ich liebte Volker, also musste es mir doch auch irgendwie gelingen, Leonore zu lieben! Oder … vielleicht auch nicht.
    »Und wie beeindruckt sie von meinen Arien waren!«, setzte Oma Leonore ihre Selbstbeweihräucherung fort. »Frau Wieser, in IHREM Alter, und noch alles auswendig!«
    »Toll«, sagte ich geistesabwesend. Ich setzte den Blinker und schielte auf meine Armbanduhr. In einer Dreiviertelstunde musste ich im Dirndl am Mirabellplatz stehen, um diesmal eine Busladung Spanier abzuholen. Sie hatten die große Panoramatour zum Königssee samt Berchtesgaden und Hitlers Kehlsteinhaus gebucht. Das würde wieder eine Ganztagestour werden. Meine Gedanken eilten zu Lisa. Ich merkte, wie sehr ich sie vermisste. Wenn sie da wäre, würde sie jetzt völlig gelassen in der Küche sitzen, ihren Kaffee schlürfen, mir beim Schminken zusehen und mir sogar noch ein paar nützliche Tipps geben: »Schau mal, wenn du meine Wimperntusche nimmst, verkleben sie nicht so schnell, die ist sogar wasserfest. Und den Lidstrich würde ich so ansetzen …« Später würde sie dann mit den Kindern am Pool abhängen, Tischtennis spielen oder Bridge. Ja, Nathan hatte sich inzwischen sogar dazu herabgelassen, mit ihr Karten zu spielen! Sie war einfach die Lisa-für-alle. Wenn ich abends wiederkäme, wäre der Tisch gedeckt, und sie hätte einen riesigen knackigen Salat gemacht.
    »Die ganzen Lehar- und Strauß-Partien sind einfach unverg esslich«, schwärmte Leonore weiter, als ich in unsere Einfahrt fuhr. »Und Robert Stolz! Du sollst der Kaiser meiner Seele sein! « Die Garagentür stand offen. Volker war leider schon weg.
    Sofort eilte Leonore ins Wohnzimmer und setzte sich an den Flügel. Sie drosch auf die Tasten ein und trällerte laut und schrill los, während ich mich bemühte, nicht allzu profan mit den Frühstückstellern zu klappern. Nach und nach krochen die Kinder aus ihren Höhlen und standen mit vorwurfsvollen Blicken im Pyjama in der Küche.
    »Sag mal, spinnt die Oma jetzt? Es ist noch nicht mal acht!« Das war Charlotte. Die Spucketröpfchen flogen ihr durch die Zahnspange. Sie war richtig sauer. »Und das in den FERIEN !«
    »Boah, Oma«, sagte Emil gähnend, der sich irgendwo in seiner Bossunterhose kratzte. »Voll krass die geile Mucke.«
    »Oma! Ich hab gerade so süß geträumt!« Pauline. Vorwurfsvoll.
    »Scheiße! Kann man in diesem Haus nicht einmal in Ruhe chillen.« Nathan schlurfte ebenfalls herbei.
    »Leonore! Vielleicht mal ein leiseres Lied!«, rief ich ins Wohnzimmer

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