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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
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im Laden behielt, desto mehr kaufte er.
    »Wollten Sie die kleine Ente eigentlich kaufen?« Sie schob ihre rosa Brille auf ihrer rosa Nase hoch und lächelte Jamie noch einmal an. »Das Beinchen hab ich hier in der Schublade.«
    »Nein danke, ich hab eigentlich keine Verwendung für eine Ente.« Er sah, wie enttäuscht das Kind war. »Aber weißt du, ich nehm vielleicht die Topflappen.« Er dachte an Rose. Zur Freude des kleinen Mädchenskaufte Jamie auch noch ein Feuerzeug in einem knorrigen Holzstück und eine irische Kobolduhr für sich selbst.
    Nach diesem Einkauf war Jamie so glücklich wie die kleine Katie. Er verließ den Laden mit seiner Tüte voller Geschenke und schlenderte auf der Promenade am Strand entlang, sein rosa Eissandwich leckend.
    Beim Lesen war Lydia der Betrieb vor einer kleinen Holzbude etwas weiter die Küste herunter aufgefallen. Meistens gingen Frauen alleine hinein, ihre Freunde oder Partner warteten draußen. Sie fragte sich, was es damit auf sich hatte, und beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie faltete die Decke zusammen, verstaute sie mit ihrem Roman im Korb und lief den Hügel hinab.
    Als sie sich der Bude näherte, wurde ihr alles klar. Ein grelles Schild versprach:
Expertin Madame Calinda liest ihnen aus der Hand. Roma-Helseherin. 30 Jahre Erfarung. Bekannt aus dem Fernseen.
    Das machte Lydia neugierig, denn sie hatte eigentlich gedacht, Hell sehen sei ausgestorben so wie Feuerschlucker und doppelköpfige Zwerge. Während sie noch dort vor dem Schild stand (und die Lehrerin in ihr sich über die Rechtschreibung aufregte), hörte sie drinnen etwas rumpeln. Dann steckte eine Frau ihren Kopf durch den Perlenvorhang, der über der Halbtür hing.
    »Mädel, Sie woll’n ihr Schicksal vorausgesagt ham.«
    Die Frau sprach mit starkem Akzent. Sie war um die sechzig und ihre ganze Erscheinung erinnerte an frühere Zeiten. Sie war stark geschminkt und trug ein groteskes hochtoupiertes Nest aus hennarotem Haar auf dem Kopf, aus dem Mundwinkel hing eine Zigarette und ihre Lippen sahen aus, als hätte sie sich von einer Dreijährigen schminken lassen.
    »Mein Schicksal?« Lydia zögerte, die grelle Aufmachung der Frau stieß sie ab. »Nein, ich glaube lieber nicht.«
    »Aber ich seh Grroßes für Sie vorraus, Mädel.« Sie zog an ihrer Zigarette und als sie die Asche abschnippte, klirrten ihre Armreifen. Ihre metallischen Nägel blitzten in der Sonne auf. »Ich bin nicht teuer, und wer weiß, ob Se nochmal so ’ne Chance krriegen.«
    Lydia dachte an die Behauptung ihres Vaters, dass alle »Wahrsagerinnen Handlangerinnen des Teufels« seien. Und an Gladys’ Worte: »Zeit, mal mit dem Leben anzufangen, Liebes.« Mit diesen beiden Belehrungen im Hinterkopf schlüpfte sie schnell in die Bude.
    Die Luft in dem winzigen Raum stank nach gebratenem Speck. Offensichtlich hatte »Madame Calinda« versucht, den Geruch mit Räucherstäbchen zu überdecken. Leider vergeblich. An den Wänden hingen dicke Samtvorhänge und schreiend bunte Tücher. Lydia setzte sich der Wahrsagerin gegenüber an den Tisch und hielt ihr die Hände über dem samtenen Tischtuch hin.
    »Errst Ihre drei Kröten, Mädel, dann guck ich rein in die Hand.«
    Lydia reichte ihr die Scheine, die in der Tasche ihres voluminösen Kaftans verschwanden.
    »Und jetz mach ich ’n silbernes Kreuz auf Ihre Hand.«
    Madame fasste sich ins tiefe Dekolleté und zog eine alte Half-Crown-Münze hervor, mit der sie ein Kreuzzeichen auf Lydias linker Handfläche machte. »Weit ist es von mir, in Ihr’m Leben zu spionier’n, Mädel, aber gibt es da ein Buhb in Ihr’m Leben?« Sie sah Lydia tief in die Augen.
    »Wie bitte? Ein was?«
    »Ein Buhb, ein Bursche.« Madame Calinda hatte sich so viel Kajal um die Augen aufgetragen, dass man den Eindruck gewinnen konnte, sie sei just dem Schornstein entstiegen.
    »Ach so, einen Bub.« Lydia schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe keinen.«
    »Tja, ganz bald, da haben Se einen. Verrstehen Se, Mädel?«
    Lydia nickte.
    »Tja, der Wahrheit alle Ehre. Woll’n Se vielleicht ’nen kleinen Schluck?«
    »Nein, danke.« Lydia wurde rot.
    »Tja, bald, da trrinken Se auch öfters was. Verrstehen Se, Mädel? Ich sehe, wie Se mit vielen zusammenstehn, vielleicht ’ne Hochzeit, und Se sind mit eim Bursche da, und der nimmt auch kräftig ein zur Brust.«
    »Können Sie mir noch etwas mehr über diesen Mann sagen?«, fragte Lydia, die sich für die Sache zu erwärmen begann. »Habe ich ihn schon

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