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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
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Rose, erfreut, dass Jamie ihr so aufmerksam zuhörte.
    Jamie sah im Brief nach, was völlig überflüssig war, denn als er Lydias Brief erhalten hatte, hatten sich Ort und Datum ihres Treffens in Großbuchstaben in sein Hirn eingeschrieben.
    »Hier steht halb vier. Donnerstag, den vierzehnten.«
    »Mein Paddy bringt dich hin, Jamie. Denn mit dem neuen Anzug solltest du nicht Rad fahren. Wer weiß, wie du aussiehst, wenn du da ankommst. Und wenns regnet, es liegt mir fern, so was vorauszusagen, Jamie, aber wenn, dann spritzt das von den Rädern nur so weg und macht dir die Schuhe kaputt und den Anzug und überhaupt. Gott segneund schütze uns, du könntest diese feine Dame doch nich mit Matsch bespritzt begrüßen.«
    Sie stand auf, füllte Jamie Tee nach und rief nach Paddy.
    »Was machst du da so lange, Paddy? Wir wollen doch nich, dass Harvey geschlossen hat, wenn ihr endlich ankommt.«
    »Ich komm ja gleich«, gab Paddy zur Antwort.
    Sie wandte sich um. »Weißte, Jamie, Gott is gut, aber es is nich gut, wenn man in einem winzig kleinen Boot tanzt. Und deswegen bringt Paddy dich lieber hin!«
    »Das wär aber nett, Rose.« Jamie rutschte auf dem Stuhl hin und her, lüftete die Kappe, rieb sich das Ohr und fragte sich, wie er die nächste Frage formulieren sollte.
    »Aber weißte, Rose ...«, begann er, »ich frage mich ... ich frage mich, ob du vielleicht auch mitkommen kannst. Denn ich bin bestimmt unheimlich nervös, wenn ich sie das erste Mal treffe, und ich glaube, wenn du auch mitkommst, dann isses vielleicht nich mehr so schlimm.«
    Rose schlug vor Aufregung die Hände vors Gesicht. »Ach, du machst dir ja keine Vorstellung, wie gerne ich mitkommen würde, Jamie. Das macht mir gar keine vielen Umstände. Mein Paddy und ich können doch in der Hotelhalle auf dich warten. Seit mein Paddy und ich das letzte Mal da waren zur Hochzeit von Biddy Maryann Mulgrew, is ’ne Menge Wasser den Fluss runtergeflossen und deswegen würd ich auch gern mal gucken, ob’s vielleicht noch prächtiger geworden is.«
    »Das versteh ich«, sagte Jamie. »Du hast auch mal wieder Lust auf einen kleinen Ausflug, stimmt’s. Und wenn es vorbei is, könnten wir vielleicht irgendwo ’n Happen was essen gehn, oder?«
    »Gute Idee.«
    Rose stülpte den fertiggestellten Teewärmer über die Delfter Teekanne und stellte sie auf den Kaminsims. Dann trat sie einen Schritt zurück und bewunderte ihr Werk zufrieden seufzend. In dem Moment hörte Jamie, wie Paddy die Treppe herunterkam, stand auf und knöpfte sein Jackett zu. Er war bereit zur Abfahrt.
    Mr Alphonse Harvey stand hinter dem auf Hochglanz polierten Tresen seines Modeladens, knackte mit den Fingerknöcheln und stierte auf die Straße hinaus. Er sah jetzt schon seit zwanzig Jahren auf die Hauptstraße von Tailorstown hinaus, dessen Einwohner er kleidete. Der Laden hatte sich seit zweiundneunzig Jahren kaum verändert. Alphonse war stolz auf sein Familienunternehmen, stolz auf den Respekt, den man seiner Familie entgegenbrachte und auf die Gemeinde, der er diente.
    Er war ein ernster, beleibter Mann mit geröteter Haut, der seinen Leibes umfang und seine Gesichtsfarbe vielen Jahren mit schwerem Essen, Bewegungsmangel und der Leidenschaft für Whiskey-Soda nach dem Abendessen zu verdanken hatte.
    Das Geschäft war sein Lebensinhalt. Er gewährte großzügige Rabatte und ließ Kunden, die er als kreditwürdig einschätzte, ihre Käufe in Raten abzahlen.
    In Mr Harveys Laden lief alles mehr oder weniger reibungslos ab. Er hatte zwei Assistenten, Miss Mildred Crink und seinen Sohn Thomas. Er war sehr stolz darauf, dass Thomas kaum überredet werden musste, in seine Fußstapfen zu treten, und er hatte sich schon jetzt als zuverlässiger und vertrauenswürdiger Nachfolger seines Vaters erwiesen. Mr Harvey konnte beruhigt auf Geschäftsreisen gehen, denn er wusste, dass sein Sohn alles unter Kontrolle hatte.
    Auch Mildred war ein Geschenk des Himmels, sie war nur selten krank und in den Abteilungen für Damenwäsche und Mode war sie die wesentliche Ansprechpartnerin.
    »Guten Abend, die Herren, James, Patrick«, begrüßte Mr Harvey die Bauern, als sie in den Laden hereingeschlurft kamen.
    Paddy nahm die Kappe ab und Jamie tat es ihm gleich.
    »Wie geht es Ihnen, Mr Harvey?«
    »Kann mich nicht beklagen, Patrick. Das Wetter ist gut, die Geschäfte laufen gut und meine Frau ist eine Woche in Wales bei ihrer Schwester. Alles in allem könnte man mich als glücklichen Mann bezeichnen.« Er

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