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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
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rieb sich die Hände und grinste, dann fiel ihm auf, dass die beiden seinenWitz nicht verstanden hatten. »Wie kann ich Ihnen an diesem schönen Tag behilflich sein?«
    »Ich brauche einen neuen Anzug.« Jamie war unsicher und rieb sich das Ohr. »Nich allzu teuer, aber richtig ordentlich soll er schon sein.«
    »Sicher, James. Bitte folgen Sie mir, ich zeige Ihnen, was ich habe.«
    Er führte Jamie und Paddy durch mehrere Abteilungen – Schuhe, Kinderbekleidung, Kurzwaren, Damenoberbekleidung –, die nach feinem Leder und neuen Stoffen rochen, bis sie am hinteren Ende des Ladens die Herrenabteilung erreichten.
    »Wie geht es dir, Jamie?«, trällerte Mildred Crink hinter einer halb bekleideten Schaufensterpuppe mit Stecknadeln im Mundwinkel.
    Sie ließ sich nicht anmerken, wie überrascht sie war, ihn hier zu sehen. Was wollte Jamie McCloone denn mit einem Anzug? Doris hatte vor einer Woche ein mysteriöses Päckchen für ihn erwähnt und als sie ein diskretes Loch hineingestochen hatte, sah sie zu ihrer Überraschung, dass irgendetwas Haariges darinnen war. Sie hatte das Päckchen vor Schreck fallen gelassen, vielleicht war es ja ein kleines Tier.
    »Man sieht dich hier nicht oft.« Mildred nahm die Nadeln aus dem Mund. »Hallo Paddy, wie geht’s Rose?«
    Jamie und Paddy versuchten an den nackten Plastikbrüsten vorbeizusehen, als sie Mildreds Frage beantworteten. (Paddy fragte sich, wofür eine Schaufensterpuppe Brüste brauchte, Jamie fragte sich, wofür Frauen welche brauchten.)
    Jamie war froh, dass Paddy antwortete, denn so konnte Miss Crink nicht auf ihre Begegnung im Ocean Spray zu sprechen kommen. Noch heute war ihm die laute Bekanntgabe des Guthabens auf seinem Sparbuch durch ihre Schwester unendlich peinlich. Diese Erinnerung klebte an ihm wie Kaugummi an den Turnschuhen eines Schuljungen.
    Er nickte zustimmend, ließ Paddy bei Mildred stehen und folgte Mr Harveys Fischgräten-Tweedjackett.
    »Soll es für eine bestimmte Gelegenheit sein, Jamie?«, fragte Alphonse. »Begräbnis, Hochzeit ...?« Er hielt vor einer Stange mit Anzügen unter Plastikfolie an.
    »Nein, ich brauche ihn nur für die Messe am Sonntag und so«, log Jamie.
    »Ach so. Eine bestimmte Farbe?«
    »Na ja, je dunkler desto besser, glaube ich. Jedenfalls nicht allzu hell.« Wieder rieb er sich das Ohr. Im Hintergrund hörte er Mildred und Paddy quasseln. Er war froh, nicht dabei zu sein.
    »Und Ihre Größe, James? Fünzig, Zweiundfünfzig?«
    »Ach du lieber Gott, Mr Harvey, ich habe noch nie einen Anzug gekauft.« Er sah an sich herunter. »Ich hab etwas abgenommen, also darf er nicht zu groß sein. Aber auch nicht zu klein.«
    »Dann vielleicht in »M«. Ich hab mir doch gleich gedacht, dass Sie etwas weniger auf die Waage bringen als vorher, James. Ist aber kein Nachteil.« Er schlug sich gegen den Bauch. »Würde mir auch guttun. Ich glaube, wir messen mal nach.«
    Aus dem Ärmel ließ er ein Maßband schnellen wie ein Jahrmarktszauberer verknotete bunte Taschentücher und legte es Jamie mit drei akkuraten Bewegungen um Brust, Taille und Hüften.
    »Zweiundfünfzig, würde ich sagen. Und was den Preis angeht: Wieviel wollen Sie denn maximal ausgeben, James?«
    Jamie dachte lange über die Frage nach, denn er wusste nicht, was er sagen sollte. Doch dann meinte er, mehr als dreißig Pfund wolle er nicht ausgeben.
    »Gut. Dann lassen Sie uns doch mal nachsehen, was wir in Ihrer Größe haben.« Mr Harvey zog drei Anzüge von der Stange herunter – einen dunkelblauen, einen braunen und einen schwarzen – und nahm ihnen die Cellophanhüllen ab.
    »Warum gehen Sie nicht einfach mit den dreien in die Umkleidekabine und streifen sie mal über, James? Und machen Sie sich keine Sorgen über die Preise. Ich verspreche Ihnen einen satten Rabatt.«
    Als Jamie hinter dem Vorhang verschwand, kam Paddy gerötet von seiner Plauderei mit Mildred zurück. Er winkte Jamie zu, setzte sich auf einen Lederstuhl und harrte der Verwandlung seines Freundes.
    Die Kabine war klein und Jamie fühlte sich wie ein Elefant in einer Schuhschachtel. Mit den Ellenbogen stieß er an die Wände und zweimalwäre er fast durch den Vorhang gestürzt, als er auf einem Bein tanzte, um die Hose anzuziehen. Paddy hörte ihn stöhnen und ächzen.
    »Geht’s dir gut, Jamie?«
    »Ja, ja, ich bin gleich draußen.«
    Nach dem schweißtreibenden Kampf mit den Anzügen, die er Mr Harvey und Paddy einen nach dem anderen vorgeführt hatte, konnte Jamie sich nicht entscheiden,

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