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Der Umweg

Der Umweg

Titel: Der Umweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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ganz bestimmte Art seufzen, und dann mußte sie sich sehr beherrschen, um nicht die Hand nach seinem Kopf auszustrecken. Der Hund schien dieses Seufzen von ihm übernommen zu haben. Es war ganz natürlich, daß der Junge Fragen stellte. Menschen wollen nun einmal kommunizieren. Vielleicht mußte sie ihm einfach zuvorkommen. »Ach«, sagte sie auf niederländisch und goß Kaffee ein.
    »Das Wort gefällt mir«, sagte er.
    »Ach?«
    »Ja. Wir haben so ein Wort nicht. Mit dem man ›Frag nicht‹ sagt.«
    »Iß«, sagte sie.
    Er schnitt Brot. Eine mißratene Scheibe warf er Sam zu, der vor dem Herd offenbar seinen Stammplatz gefunden hatte. Eine andere bestrich er dick mit Butter, er machte ausladende Bewegungen. Das Radio lief, gerade kamen Staumeldungen. Beim Essen zeichnete er Kringel auf ein Blatt Papier, abwechselnd mit gelbem und braunem Filzstift. »Was steht heute auf dem Programm?« fragte er.
    »Der Garten.«
    »Und der Fernseher?«
    »Ach ja, damit kannst du anfangen.«
    »Gut.« Er reichte ihr eine Scheibe Brot. »Du ißt ja nichts.«
    »Ich hab morgens nie viel gegessen«, antwortete sie.
    »Okay.« Er stand auf. »Ich putze mir noch die Zähne.« Der Hund folgte ihm nach oben.
    Sie erhob sich und ging zum Küchenfenster. Es war wieder neblig, und windstill. Gutes Arbeitswetter, aber sie mußte sich an der Anrichte festhalten. Sie zündete zwei Kerzen auf der Fensterbank an und summte die Musik aus dem Radio mit. Der Herd wärmte sie. Oben lief Wasser, dann wurde der Hahn zugedreht, was sich als lauter Schlag im ganzen Leitungssystem bemerkbar machte. Junge und Hund kamen wieder herunter. Sie hörte Bradwen die Haustür öffnen. »Los, geh Grauhörnchen jagen«, sagte er. Bevor er in die Küche trat, wischte sie mit dem Handrücken über ihre Wangen.
    »Grauhörnchen?« fragte sie.
    »Amerikanische Eichhörnchen. Immigranten, die sich hier ausbreiten.«
    »Wie ich.«
    »Ja, du bist auch eine Immigrantin.«
    »Auf mich hetzt du aber nicht den Hund.«
    »Natürlich nicht.« Ein bitterer Zahnpastageruch ging von ihm aus. »Wohnzimmer?«
    »Ja, ich glaube.«
    Er verließ die Küche. Rhys Jones war auf Socken nicht ernst zu nehmen gewesen, für Bradwen galt das nicht. Seine gehörten in die Kategorie Wandersocke, blaugrau mit einem L und einem R. Sie hörte seine Schritte im Wohnzimmer, dort brannte auch tagsüber eine Stehlampe. Draußen bellte der Hund, ein gutes Stück entfernt, wahrscheinlich schon hinterm Bach. »Ich hab’s!« rief der Junge.
    Sie ging ins Zimmer. Er stand in einer Ecke, in der Hand ein Kabel, das dort aus der Decke kam.
    »Jetzt bleibt noch die spannende Frage, ob der Fernseher einen passenden Anschluß hat«, sagte er.
    Sie mußte sich setzen. Der Junge im gelben Licht der Lampe, froh darüber, das Antennenkabel entdeckt zu haben; der Holzofen, dessen Glut sie am Morgen wie Aschenputtel durch Blasen angefacht hatte, ohne ein Streichholz zu benutzen. Sie schaute ihm dabei zu, wie er den Fernseher aus dem Karton holte und in der Ecke absetzte, auf dem Boden. Er ging in die Hocke und kniete sich dann auf ein Bein, das andere blieb aufgestellt. Nun fummelte er an der Rückwand des Apparats herum. Zwischen dem Hosenbund und dem hochkriechenden T-Shirt wurde ein Stück seines Rückens sichtbar. »Hat geklappt«, sagte er. »Jetzt noch eine Steckdose.«
    »Da.« Sie zeigte auf die Zweifachsteckdose mit dem Stecker der Stehlampe.
    Er stöpselte den Fernseher daneben ein und schaltete ihn an. Sofort war das Bild da, eine aufgewühlte See, Leute in Ruderbooten um einen treibenden Gegenstand, der die Tragfläche eines kleinen Flugzeugs zu sein schien. » Real Rescues «, erklärte Bradwen. »Jeden Morgen von Viertel nach neun bis zehn.«
    »Wunderbar«, sagte sie. »Aber mach erst mal aus.«
    Er schaltete ab und stand auf. »Soll ich mir die Bäume vornehmen?«
    »Ja, bitte, wenn du das könntest. Für mich ist es sehr schwer.«
    »Klar kann ich das.« Er schaute sie an.
    »Machst du noch mit dem Wanderweg weiter?« fragte sie.
    »Ja. Das ist mein Job, dafür werde ich bezahlt.«
    »Aber noch nicht morgen?«
    »Hängt ganz von dir ab. Ich kann mir die Zeit einteilen.«
    »Ich auch«, sagte sie.
    »Vielleicht können wir zusammen ein Stück gehen?«
    »Ich würde sehr gern mal auf den Berg hoch.«
    Er ging die Treppe hinauf. Kurz danach kam er mit Jacke und Mütze wieder herunter. »Soll ich einen Küchenstuhl nehmen?«
    »Ja, der steht noch drunter. Hab vergessen, ihn reinzuholen.« Sie blieb auf

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