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Der unausweichliche Tag - Roman

Der unausweichliche Tag - Roman

Titel: Der unausweichliche Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Feigenkaktus und Agaven. Und als die schweren Herbstregen kamen, stellten sie gewissenhaft Schubkarren und Eimer und Schüsseln auf den Rasen und kippten jeden überzähligen Tropfen ins Bassin . Und wie um sie für all das zu entschädigen, war der folgende Sommer kühl und feucht, fast wie ein Sommer in England, und das neue Bassin war bis zum Rand gefüllt. Sie luden den Bürgermeister zu sich nach Hause, tranken Pastis mit ihm, führten ihn durch den Garten und zeigten ihm das Ergebnis ihrer Anstrengungen. Das schien ihn zu amüsieren: die ganze Mühe für ein Stück Land, auf dem nicht einmal ernsthaft Gemüse angebaut wurde!
    A quoi sert-il, Mesdames?
    A rien, Monsieur. Mais, c’est beau.
    Aber es war klar, dass ihnen vergeben worden war. Und nach jener Nacht verkündete Veronica dann auch, sie werde mit einem Buch beginnen und habe auch schon den perfekten Titel dafür: Gärtnern ohne Regen .
    »Engländer glauben, Gärtner machten auf der ganzen Welt dasselbe«, sagte sie. »In Indien, in Spanien, in Frankreich, in Südafrika, einfach überall – aber das stimmt nicht. Und deshalb möchte ich herausfinden, wie es hier in dieser Landschaft am besten funktioniert. Ich werde ganz systematisch vorgehen, mit verschiedenen Sorten experimentieren. Schauen, was überlebt und was eingeht, sofern man es nicht mit Tonnen von Gemeindewasser hätschelt. Das Projekt wird langwierig sein, aber was soll’s? Mir gefällt es, wenn die Dinge dauern.«
     
    Diese ersten Frühlingstage in Sainte-Agnès waren warm. Drei oder vier Grad wärmer als in La Callune, in den Bergen, wo Aramon Lunel Brennholz von seiner Schwester geschnorrt hatte, sieben oder acht Grad wärmer als in London, wo ein leichter Regen auf Chelsea fiel. Kitty trug ihre Staffelei nach draußen und arbeitete an einem zarten Aquarell mit Mimosenblüten. Sie saß in einem verschlissenen Segeltuchsessel, der sie schon ihr halbes Leben begleitete. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie manchmal das Schreien der Seevögel hören, die sie vor langer Zeit in Cromer zu malen versucht hatte, schon damals in diesem bequemen, ausgeleierten Sessel.
    »Immer am Kritzeln!«, hatte ihr Vater ständig geklagt. »Als hinge dein Leben davon ab.« Aber es hatte davon abgehangen. Das hatte Kitty Meadows die ganze Zeit gespürt, während ihre Kindheit und Jugend langsam vergingen, und auch später, als sie halbtags in einem Postamt, einer Drogerie und schließlich in einer Bibliothek arbeitete. Glücklich war sie nur dann gewesen – zumindest erschien es ihr jetzt so –, wenn sie draußen imFreien war, unter dem weiten, leeren Himmel, mit ihrem Skizzenbuch und den Farben, dem salzigen Wind, den wandernden Dünen und dem wunderbaren Licht. Das Malen hatte sie gerettet. Es hatte ihr die Flucht in ein schöneres Leben ermöglicht. Und es hatte sie, nach endlosen Jahren des Wartens, in die Arme einer Frau geführt, die sie lieben konnte.
     
    Jetzt sah sie, wie Veronica über die Terrasse in den Garten kam. Ihre Freundin machte ein Gesicht, das Kitty sofort zu deuten wusste: das Kinn stramm vorgeschoben, die Stirn gerunzelt, die Augen besorgt zusammengekniffen. Für Kitty wurde sie dadurch zur »absoluten Verey«. »Ihre« Veronica – alles, was sie an ihr mochte, war plötzlich verschwunden.
    Kitty wusch ihren Pinsel aus, blickte aber weiter auf den von der Sonne beschienenen fantastischen Mimosenzweig. Sie wusste, dass sie für Veronicas Familie ein Niemand war, nur »diese Freundin von V, diese kleine Aquarell-Frau«. Sie musste sich anstrengen, um sich nicht wieder in Unsichtbarkeit aufzulösen. Sie sah zu Veronica hoch und sagte, so sanft sie konnte: »Was ist los, Liebes?«
    Veronica fischte eine Zigarette aus der Tasche ihrer Gartenschürze und zündete sie an. Sie rauchte nur, wenn sie beunruhigt oder traurig war. Erregt lief sie hin und her und zog umständlich an ihrer Gitane.
    »Es geht um Anthony«, sagte sie schließlich. »Nach meinem Anruf gestern konnte ich vor lauter Sorge nicht schlafen, er klang so furchtbar. Er hat dann zurückgerufen, Kitty. Und meine Sorge war berechtigt. Er sagt, er fühlt sich … erledigt. Er sitzt den ganzen Tag in seinem Laden, und niemand kommt. Stell dir das doch bloß vor! Da wartet man, mutterseelenallein, und niemand kauft was. Er sagt, das Ganze ist vorbei.«
    Und da fiel er Kitty wieder ein, und sie bekam sofort Kopfschmerzen, jener kurze Blick, den sie einmal in Anthony Vereys Schatzhaus geworfen hatte. So viel Holz und Marmor und

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