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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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einer Art großem Zimmer. Sofort fiel das Atmen leichter. Im Zimmer war es hell.
    Karpowitsch zog die Tür am Griff zu sich her, und die Tür ging auf.
    Beim Aussteigen bückte Banow sich. Dann richtete er sich auf, sah sich um und erblickte zwei richtige Türen.
    Karpowitsch versuchte, sich mit den Handflächen die Hosen zu glätten, die sich im Aufzug zerknittert hatten. Seine Miene war unzufrieden.
    „Ach, was soll’s!“ Er winkte ab.
    Dann trat er zur Wand und drückte auf einen schwarzen Knopf, über dem geschrieben stand: „Ruf“.
    Ein älterer Mann im dunkelblauen Anzug, dem gleichen, wie ihn auch Karpowitsch trug, trat ins Zimmer.
    „Mein Landsmann!“, flüsterte Karpowitsch Banow zu.
    Der Mann kam her und begrüßte den Kreml-Hausmeister mit Handschlag, musterte den Schuldirektor durchdringend, nickte ihm dann aber ganz freundlich zu.
    „Die Aufstellung?“, fragte er Karpowitsch.
    Der zog ein mehrfach gefaltetes Papier aus der Innen­tasche seines Sakkos und reichte es seinem Landsmann.
    „Kommt, wir zählen!“, sagte der Landsmann. „Zuerst die Pakete!“
    Banow begriff seine Aufgabe und reichte Karpowitsch aus dem Postaufzug die Pakete, der diese seinerseits seinem Landsmann vor die Füße stapelte. Und der Landsmann zählte sie durch.
    „Siebzehn“, stellte der Landsmann fest, als alle Pakete erneut vor ihm lagen. Dann warf er einen Blick auf sein Papier und nickte befriedigt. „Keine Päckchen. Jetzt die Briefe.“
    Mit den Briefen zog sich die Sache hin. Banow zählte immer zehn ab, übergab sie an Karpowitsch, der ihre Zahl ebenfalls überprüfte und sie an seinen Landsmann übergab. Der zählte sie ebenfalls noch einmal und legte sie sorgsam stapelweise auf den Boden.
    Die Prozedur nahm wenigstens eine halbe Stunde in Anspruch.
    „Zweihundertneunzehn …“, stellte der Landsmann fest, nachdem er den letzten Stapel durchgezählt hatte. Er blickte auf sein Papier: „Zweihundertzwanzig!“
    Und heftete den Blick sofort fragend auf Karpowitsch.
    Karpowitsch drehte sich zu Banow um.
    Banow bückte sich und spähte aufmerksam in den Postaufzug, doch der war leer.
    Das Schweigen dauerte wohl drei Minuten an.
    Nachdenklich auf den Lippen kauend, trat der Landsmann zur Wand, öffnete eine kleine Klappe und nahm den Hörer des Telefons ab, das sich dort in der Nische befand.
    „Hallo! Geben Sie mir Oben!“, sagte er knapp in den Hörer. „Hallo! Oben! Simytsch? Bist du’s? Überprüfe den Beladeplatz des Aufzuges. Ein Brief fehlt … Ich warte …“
    Nach diesem „Ich warte“ setzte sich das Schweigen fort.
    Banow begann zu frieren. Ungute Vorahnungen stiegen in ihm hoch, und er seufzte schwer.
    Karpowitsch kaute an seinem rechten Daumennagel.
    Plötzlich drückte sein Landsmann den Hörer fester ans Ohr, und sein Gesicht bekam Farbe – offenbar war das Schweigen am anderen Ende der Leitung vorüber.
    Er lauschte nur und nickte, als könnte man das dort oben sehen, und irgendwann entrang sich ihm ein lauter Seufzer der Erleichterung, er blickte erschöpft Karpowitsch an und nickte ihm mit einem schwachen Lächeln zu.
    Die Spannung fiel von Banow ab.
    „In Ordnung“, sagte der Landsmann, nachdem er den Hörer aufgelegt und die Klappe zu der Telefonnische verschlossen hatte. „Woltschanow hat einen Brief genommen! Dieser Mistkerl!“ Die letzten beiden Worte flüsterte der Landsmann, offenbar sagte er sie nur zu sich selbst. „Wenn er es wenigstens in der Aufstellung vermerkt hätte! Nehmt Säcke und marschiert los!“
    Banow wusste nicht, wo er Säcke hernehmen sollte. Er blickte sich um, sah aber nichts. Doch da öffnete Karpowitsch bereits einen in die Wand eingebauten Schrank und zog von dort zwei Leinensäcke heraus.
    In einen legten sie die Pakete, in den anderen die Briefe.
    „Los!“, sagte Karpowitsch, warf sich den Sack mit den Paketen über die Schulter und ging zu der linken Tür.
    Hinter der Tür begann ein langer, gut beleuchteter Korridor.
    Sie schritten an zwei oder drei Türen vorbei, bogen nach links, stiegen ein paar Stufen hinunter.
    Erneut lagen Türen vor ihnen.
    „Jetzt gehen wir hinein“, flüsterte Karpowitsch. „Du nickst dem Posten zu, ich werde reden.“
    Hinter der Tür stand ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, bereits ergraut, mager, in Uniform, doch ohne Abzeichen am Kragen.
    Er musterte die beiden Eingetretenen wachsam.
    „Die Post!“, sagte Karpowitsch und drehte sich leicht zur Seite, damit der Sack mit den Paketen zu sehen war.
    Der

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