Der und kein anderer Roman
hinter einem Tresen, hinter dem nun ein kleiner Geschenkladen entstanden war. Ehemals war dort Suzy und Hoyt Dentons Sonnenveranda gewesen. Obwohl das Himmelsfest bereits in drei Wochen stattfand, war die Verwandlung von Bobby Toms Geburtshaus in eine Touristenattraktion noch nicht ganz vollzogen. Suzy und Hoyt hatten seinerzeit bei ihrem Umzug viele der ursprünglichen Möbelstücke entsorgt. Doch die Mitglieder des Komitees hatten Keller und Trödelläden durchforstet, um ähnliche Möbelstücke aufzutreiben und waren dabei gelegentlich sogar auf das Original gestoßen. Das Haus war, dem damaligen Trend entsprechend, Avocadogrün und Gold gestrichen. Zusätzlich jedoch hatte Suzy ein für die damaligen Verhältnisse recht unkonventionelles Rot eingesetzt, was
dem Haus auch heute noch einen gewissen Charme verlieh. Trotz der zusätzlich übernommenen Verantwortung für Anreise und Unterkunft der prominenten Athleten, hatte Gracie immer noch zu viel freie Zeit. Seit Bobby Tom und sie sich vor fast drei Wochen gestritten hatten, hatte sie die meisten ihrer Abende in Arbor Hills verbracht oder aber gemeinsam mit Terry Jo und Toolee an Bobby Toms früherem Elternhaus gearbeitet.
Jetzt musterte sie die Schlüsselanhänger kritisch. Wie so viele andere Dinge in dem Geschenkeladen ähnelte die Abbildung darauf Bobby Tom, obwohl er sein Einverständnis dafür nicht gegeben hatte. Ein fluoreszierender, orangefarbener Plastiktaler zeigte ihn in voller Aktion: die Füße in der Luft, der Körper zu einem eleganten C gebogen, die Arme ausgestreckt, um einen Ball abzufangen. Doch dem blauweißen Trikot der Dallas war nur stümperhaft sein Trikot Chicago Stars übergemalt worden. Darunter stand in Leuchtschrift: »Er hätte ein Cowboy sein sollen.«
»Vielleicht könnte man sie hinter dem Postkartenständer aufhängen?«, schlug Gracie vor.
»Ach, lieber nicht«, widersprach Toolee. »Dort kann sie niemand sehen.«
Genau das hatte Gracie allerdings gehofft. Ihrer Meinung nach sollte Bobby Tom diesem nicht genehmigten Gewerbe ein Ende bereiten, doch wollte sie das Thema nicht anschneiden, nachdem sie sich ohnehin schon in einer solch angespannten Lage befanden. Sie gingen beide sehr höflich miteinander um. In Anwesenheit anderer Leute schlang er gelegentlich einen Arm um sie, doch verbrachten sie nur sehr wenig Zeit alleine zusammen, und jeden Abend gingen sie in ihre getrennten Schlafzimmer.
Während Gracie einen Stapel Aschenbecher zu den Regalen trug, um sie dort zu stapeln, kam Terry Jo aus dem Wohnzimmer. Ein Bleistift klemmte hinter ihrem Ohr, in
der Hand hielt sie einen Zettel. »Hat jemand den Karton mit den fehlenden Kaffeetassen gefunden?«
»Noch nicht«, antwortete Toolee.
»Vermutlich habe ich sie irgendwo total Blödsinniges hingestellt. Seit Way Sawyers Ankündigung, dass Rosatech doch nicht geschlossen wird, bin ich so durcheinander, dass ich überhaupt nicht mehr logisch denken kann.«
»Luther hat ihn zum Ehrenvorsitzenden des gesamten Festivals ernannt«, erzählte Toolee, als ob sie diese Tatsache nicht schon mehrmals durchgekaut hätten. Way Sawyers Ankündigung hatte jeden Bürger der Stadt vor Erleichterung tanzen lassen. Jetzt war er nicht mehr Telarosas Feind, sondern, ganz im Gegenteil, ein gefeierter Held.
»Allmählich wenden sich die Dinge in dieser Stadt alle zum Guten.« Lächelnd betrachtete Terry Jo die gläsernen Regale, die vor den Fenstern angebracht waren. Eine Sammlung von Kühlschrankmagneten direkt vor ihr trugen die Aufschrift: In Heaven, Texas, hab’ ich ganz schön die Hölle losgemacht! »Ich kann mich an den Sommer erinnern, an dem Herr Denton diese Sonnenterrasse gebaut hat. Bobby Tom und ich haben dort draußen zusammen gespielt, und Suzy hat uns Traubensaft gebracht.« Sie seufzte. »Die Restauration dieses Hauses war wie eine Reise zurück in meine Kindheit. Suzy behauptet, sie würde sich bei jedem Betreten des Hauses um zwanzig Jahre verjüngt fühlen. Ich glaube allerdings, dass ihr die Rückkehr hierher sehr schwer fällt, weil Herr Denton nicht mehr da ist, um es mit ihr zu teilen. In letzter Zeit ist sie irgendwie gar nicht mehr sie selbst.«
Gracie machte sich ebenfalls Sorgen um Suzy. Bei jedem Treffen nach ihrer zufälligen Begegnung in San Antonio wirkte sie noch zerbrechlicher. Als Gracie die letzten Aschenbecher auf dem Regal abstellte, hielt sie den Zeitpunkt für günstig, das Thema anzuschneiden, das sie heute bereits mit Suzy besprochen
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