Der und kein anderer Roman
musterte ihre wunderschöne dunkelbraune Haarmähne. Sie hatte die Haare zu einem jugendlichen
Pferdeschwanz gebunden, der ihrer Schönheit keinerlei Abbruch tat. Auch ohne eine Spur von Make-up war die vierundzwanzigjährige Schauspielerin atemberaubend schön. Ihre Gesichtszüge waren ausgeprägt: breite, dunkle Brauen, katzenhaft grüne Augen, ein breiter, großzügiger Mund und gleichmäßig weiße Zähne. Sie trug die zerknitterten braunen Shorts und ein ebenso zerknittertes rosa Polohemd, als ob es sich dabei um Designerware handeln würde.
»Hallo.« Sie lächelte Gracie freundlich an und streckte die Hand aus. »Ich bin Natalie Brooks.«
»Gracie Snow.« Sie erwiderte den festen Händedruck. »Ich habe Ihre Filme sehr genossen, Frau Brooks. Ich bin ein echter Fan.«
»Nennen Sie mich doch bitte Natalie. Elvis schläft gerade, da haben wir etwas Zeit, um uns zu unterhalten.« Sie deutete auf ein paar Klappstühle, die im Schatten des Containers aufgestellt waren.
Gracie hatte zwar keine Ahnung, wer Elvis war, doch würde sie die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen, sich mit einer Berühmtheit wie Natalie Brooks zu unterhalten. Noch dazu bot es ihr eine ausgezeichnete Ausrede, um ihr Zusammentreffen mit Bobby Tom ein wenig hinauszuzögern. Nachdem sie sich gesetzt hatten, sagte Natalie: »Von Anton weiß ich, dass Ihre Referenzen ausgezeichnet sind. Mein Mann und ich sind Ihnen sehr dankbar, dass Sie so kurzfristig hierher geflogen sind. Für unseren Elvis wollen wir nur das Beste.«
Obwohl Gracie keine Vorstellung davon hatte, worüber sie redete, fand sie die verzweifelte Aufrichtigkeit der Schauspielerin doch rührend.
»Als Erstes muss ich Ihnen sagen, dass Anton und ich kein Freunde von festen Zeitplänen sind. Elvis wird dann gestillt, wenn er Hunger hat. In anderen Worten, sowie er
sich regt, möchte ich, dass Sie ihn mir bringen. Abgesehen von der Milch soll er keine anderweitige Nahrung bekommen. Anton und ich möchten ihm ein gesundes Immunsystem schenken, das lediglich Muttermilch Gewähr leisten kann. Wir machen uns auch deshalb Sorgen, weil in unserer Familie Allergien vorkommen – Anton hat einen Cousin, der hochgradig allergisch ist – und aus diesem Grunde bekommt Elvis während seiner ersten sechs Lebensmonate ausschließlich Muttermilch. Sie sind doch dem Stillen gegenüber ebenfalls positiv eingestellt, nicht wahr?«
»O ja.« Mehr als einmal hatte Gracie sich selbst mit einem Baby an der Brust vorgestellt. Die Einbildung war stets so intensiv gewesen, dass ihre Brust fast geschmerzt hatte. »Aber sind sechs Monate für ein Baby nicht eine lange Zeit, um sonst überhaupt nichts zu essen zu bekommen? Ich dachte immer, sie bräuchten so etwas wie Haferflocken.«
Natalie musterte Gracie, als ob diese vorgeschlagen hätte, das Baby mit Arsen zu verwöhnen. »Aber überhaupt nicht! Muttermilch ist für die ersten sechs Monate das Allerbeste für das Kind. Ich hätte Anton damit beauftragen sollen, Ihnen all diese Dinge zu erzählen. Es ist so schwierig – er hat geschäftlich in Los Angeles zu tun, und dies ist unsere erste Trennung. Er wird an den Wochenenden hierher fliegen, aber dennoch wird es nicht einfach werden.«
Gracie hielt sich für ein wenig charakterlos, dass sie die Verwechslung mit einem Kindermädchen für weniger schmeichelhaft hielt, als als Stripperin eingeschätzt zu werden. »Tut mir Leid, Natalie. Ich hätte eigentlich gleich unterbrechen sollen, doch ich war so fasziniert von dem, was Sie erzählten, dass ich irgendwie abgelenkt wurde. Das passiert mir manchmal. Aber ich bin nicht Ihr Kindermädchen.«
»Das sind Sie nicht?«
Gracie schüttelte den Kopf. Der Schmerz hinter ihren
Schläfen erinnerte sie an ihre alkoholischen Exzesse des gestrigen Abend. Sie verharrte regungslos. »Ich bin eine der Produktionsassistentinnen. Besser gesagt, war eine Produktionsassistentin, jetzt bin ich Bobby Tom Dentons Assistentin.«
Gracie hatte erwartet, dass Natalie wie alle anderen auch bei der Erwähnung von Bobby Tom Dentons Namen dahinschmelzen würde. Doch die Schauspielerin nickte lediglich. Dann schoss ihr Kopf hoch und sie sah sich alarmiert um. »Haben Sie das eben auch gehört?«
»Was denn?«
Sie schreckte vom Stuhl hoch. »Elvis. Er weint.« Ihre langen Hollywoodbeine rannten die Stufen hoch. Kurz bevor sie im Inneren des Wagens verschwand, drehte sie sich um: »Warten Sie, dann zeige ich ihn Ihnen.«
Trotz ihrer recht verkrampften Einstellung
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