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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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sintflutartigen Regen ins Innere und legte sich misstrauisch vor die ununterscheidbaren Füße der sich ausruhenden Passagiere. Selbst die Spinnen wärmten sich auf.
    Emerald nahm den Spaniel Nell, der mit nassen Pfoten aus der Spülküche hereingetrottet kam, auf den Arm.
    »Sehen Sie nur«, sagte sie zu John, der knapp außerhalb der Reichweite des Feuers stand, und hielt den hübschen Hund hoch, damit er ihn bewundern konnte. Aber stolz, wie John Buchanan war, zog er es vor, für sich zu bleiben.
    Das Feuer bewahrte sich seine Anziehungskraft. Aus allen Teilen des Hauses kamen die anderen Tiere herbei: Lucy, um sich zu Nell zu gesellen; Lloyd, zurückhaltend, von irgendeinem hochgelegenen Beobachtungsposten; sogar das Pony Lady stieß in Smudges Zimmer ein Wiehern aus, das von seiner Einsamkeit sprach, allerdings von niemandem gehört wurde, außer von Smudge.
    »Pst«, sagte Smudge schläfrig.
    Mäuse und Hunde und übel riechende Passagiere, sie alle nahmen verzaubert die Wärme in sich auf, während ihre Gastgeber danebenstanden und die Luft anhielten und das Zupfen unsichtbarer Hände, die sie bedrängten, an ihren Gedanken spürten.
    »Sie müssen schlafen«, verkündete Emerald unvermittelt und voller Entschiedenheit. Überall um sie herum flüsterten und wisperten die Passagiere wie ein Echo.
    Ihr wurde klar: Das Abfüttern der Passagiere, das Öffnen der Tür, das Entzünden des Feuers, das Versammeln der Seelen rund um es herum – all das waren Schritte auf einem Pfad, der bis zum Ende beschritten werden musste.
    »Wir müssen ihnen Betten herrichten«, sagte Emerald mit fester Stimme.
    »Schlafen«, stimmten sie ihr zu.
    »Wir sind müde.«
    »Wir müssen sie zur Ruhe betten«, sagte Emerald mit fürsorglicher Getriebenheit, den Blick ins Feuer gerichtet. »Und wir müssen dafür sorgen, dass sie es bequem haben.«
    »Bequem«, murmelte es zustimmend aus den Reihen der Passagiere. »Ja, bequem.« Und leise fingen sie erneut an zu singen, eine Stimme gesellte sich zur anderen.
    A mother was bathing her baby one night
    The youngest of ten, and a tiny young mite
    »Lasst uns Laken holen«, sagte Patience.
    »Und Decken«, ergänzte Ernest, in dessen Brille sich die Flammen spiegelten, das Gesicht wie die anderen dem Feuer zugewandt, die Gedanken nur darauf gerichtet, den Passagieren zur Ruhe zu verhelfen.
    Alle, bis auf Florence und John, nickten zustimmend. Florence hielt sich zurück, weil die Schande der Enthüllungen Traversham-Beechers’ eine Distanz zwischen sie und die anderen gelegt hatte, und John, weil er wegen des Gehörten eine Distanz zwischen sich und ihnen aufrichtete. Die Krise war abgewendet worden, er hatte keine Lust, seinen entehrten Gastgebern noch länger zu helfen.
    »Auf mich dürfen Sie nicht zählen«, sagte er, trat einen Schritt beiseite und wandte das Gesicht ab. »Sie können meinetwegen machen, was Sie wollen.«
    »John?«, murmelte Emerald, sich an ihn wendend (alle anderen, die Tiere und die Zweibeiner, waren darin versunken, die beweglichen Flammen zu beobachten, während die Stimmen leise weitersangen).
    Sie ergriff seine Hand und flüsterte mutig: »John? Verabscheuen Sie mich jetzt?«
    »Sie verabscheuen?« In der tiefen Nacht, während das ganze Haus dämmrig war vor Verzauberung, wollte es ihm scheinen, als gehörte die unschuldige Unterhaltung vom Tag, im Wohnzimmer – erst an diesem Nachmittag, als er ihr die Kamee geschenkt hatte –, in ein völlig anderes Leben. Wie er sah, trug sie sein Geschenk immer noch, an ihrem sündigen Hals.
    »Wollen Sie uns nicht doch helfen? Bitte.«
    Widerstrebend willigte er ein.
    Clovis, Ernest, Charlotte und Patience lösten sich aus dem warmen Kreis des Feuerscheins und gesellten sich zu ihnen.
    »Wir richten ihnen die Betten auf der Galerie her«, bestimmte Clovis und blickte die breite, dunkle Treppe hinauf zu dem schiefen Geländer, das man gerade noch schimmern sehen konnte.
    »Woraus sollen wir sie machen?«
    »Wir finden schon irgendwas. Ernest?«
    »Sicher.«
    Er und Clovis setzten sich entschlossen in Bewegung.
    Emerald sah sich nach Florence um. »Wo ist Mrs Trieves?«, fragte sie, aber niemand hatte sie gehen sehen.
    »Patience, komm mit mir. John – würde es Ihnen etwas ausmachen? Sie brauchen Betten.«
    Alle Gestalten am Feuer drehten sich einmütig um, sodass, da das Licht nun hinter ihnen war, ihre Gesichter nur noch als schwarze Silhouetten wahrzunehmen waren.
    »Worauf sollen wir schlafen?«, fragten ihre

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