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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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winzigen Hackbällchens waren umsonst gewesen. Es war eine bittere Niederlage.
    Clovis, der dem verständlicherweise nicht sehr begeisterten Robert den Auftrag erteilt hatte, sich zusammen mit Stanley auf die Suche nach den neuen Passagieren zu begeben, stand zitternd und tropfend in der Tür von Roberts behaglicher Bleibe über der Sattelkammer und beneidete die beiden um die Überreste ihres Abendessens, die noch auf dem geschrubbten Tisch standen. Es war vielleicht eine bescheidene Mahlzeit, aber immerhin war es eine Mahlzeit, im Gegensatz zu seinem bislang nur hypothetischen Dinner.
    Während die beiden tüchtigen Männer sich für den Aufbruch in die Nacht fertig machten, von Kopf bis Fuß in Ölzeug gekleidet wie die Besatzung eines Rettungsbootes, kehrte Clovis völlig ausgehungert ins Speisezimmer zurück. Als er seinen Platz inmitten der kleinen, nervösen Gruppe einnahm, kam ihm der Gedanke, dass jetzt nur noch sie selbst, Florence und Myrtle auf Sterne waren, und sonst gab es niemanden auf Meilen und Meilen im Umkreis.
    Die Sitzordnung der kleinen Gesellschaft gestaltete sich wie folgt: Emerald saß an der einen Schmalseite des Tischs, flankiert von Ernest Sutton und John Buchanan; Smudge und der zusätzliche Gast saßen sich in der Tischmitte gegenüber, wo Smudge seine auffallend kirsch-pflaumenfarbene Weste voller Staunen beäugte; Clovis, am anderen Ende des Tischs, hatte seine Mutter und Patience Sutton als Nachbarinnen. Der Tisch bot so viel Platz, dass sich mehrere unsichtbare Personen zwischen sie hätten setzen können, ohne dass es eng geworden wäre.
    Die Uhr auf dem Kaminsims tickte nicht, die Zeit verging lautlos, die Tür wurde nicht geöffnet. Weder Myrtle noch Florence Trieves erschienen mit irgendeinem Teil des Essens, mit keiner noch so kleinen Vorspeise, keinem Amuse-Bouche, keiner Krume, keinem Krümel, keinem nichts. Emerald schob den Fuß auf der Suche nach Wärme und Trost unter einen der beiden schlafenden Spaniels. Jenseits der Wände des Speisezimmers lagen in der einen Richtung häusliche Plackerei und in der anderen herrenlose Gäste, dachte sie, während sie den Blick durch die rauchigen Tiefen des Raums schweifen ließ, über die hohen Kerzen in ihren Leuchtern und die goldenen Flammen, die sich züngelnd in die blaue Luft reckten.
    »Emerald, ich hoffe, du empfindest es nicht als unangemessen«, ergriff Patience schüchtern das Wort. »Aber da wir es anscheinend mit einer … einer Verzögerung zu tun haben, wäre es dir vielleicht recht, wenn ich dein Geschenk jetzt hole?«
    »Oh!«, machte Emerald. »Ja, gerne.«
    Charlotte erhob sich anmutig von ihrem Stuhl. »Wollen wir beide dann auch nach dem Geschenk sehen?«, sagte sie und schwebte mit einem über die schlanke Schulter geworfenen »Smudge?« aus dem Raum.
    »Also gut, Geschenke«, sagte Patience aufspringend.
    Emerald blieb als einziges weibliches Wesen in der Gesellschaft von John, Ernest, Clovis und Charlie Traversham-Beechers zurück. Es war eine überaus ungewöhnliche Situation.
    Die Weine, die hochprozentigeren Getränke und die Liköre in ihren Karaffen reihten sich wie gigantische, kantig geschliffene Juwelen auf der Anrichte aneinander und warteten auf den ersten Gang.
    Früher hatte Theodore Trieves, Florences verstorbener Ehemann, unterstützt von einem Hausdiener, den Posten des Butlers auf Sterne bekleidet. Seitdem hatten drei Männer – Wiggs, Morton und Stoves, alle ohne Hausdiener zu ihrer Unterstützung – den Posten mit unterschiedlichem Erfolg innegehabt. Seit das Torrington-Swift’sche Vermögen noch weiter geschwunden war, gab es überhaupt keine männlichen Hausbediensteten mehr, die die entsprechenden Pflichten übernehmen konnten. Wenn die Familie gelegentlich einmal alkoholische Getränke zu sich nahm – hin und wieder ein Glas Champagner, immer ein großer Genuss –, so war Edward der dafür zuständige Mann, beim Öffnen der Flaschen unterstützt von seiner zweiarmigen Frau oder seinem Stiefsohn.
    Heute Abend hätte Florence Trieves die Getränke servieren sollen, aber Emerald wusste, dass allzu viele Aufgaben auf der Hauswirtschafterin und Köchin lasteten, die im Übrigen nirgends zu sehen war. Von daher war es vielleicht angebracht, diese spezielle Aufgabe einem geeigneten Mann zu übertragen. Niemand wäre geeigneter gewesen als ihr Bruder, aber Clovis fummelte an seinen Kragenknöpfen herum, die ihn offenbar piesackten, und bemerkte ihren Blick nicht. (Nachdem er bereits sein

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