Der ungeladene Gast
gegeneinanderschleudern.
Aus weiter Ferne flüsterte eine leise, müde Stimme: »Hallo?«
»Hallo? Ist dort die Eisenbahngesellschaft?«, fragte Emerald unsicher.
»Ja«, antwortete die leise Stimme, und doch hatte Emerald aus irgendeinem Grund große Zweifel, dass es sich tatsächlich um die Eisenbahngesellschaft handelte. Die Stimme klang eher wie die eines Kindes, eines geschwächten Kindes. »Ja, hier spricht die Great Central Railway«, sagte die Stimme, und eine kleine Gruppe, die flüsternd am Fenster stand, drehte die Köpfe, um Emerald anzusehen.
Die Wellen spülten über die fernen Kiesel, vor und zurück, vor und zurück. Schließlich vibrierte eine Klingel. Sie klingelte und klingelte. Dann bellte eine laute männliche Stimme: »Ja, hallo?«
Unwillkürlich zuckte Emerald zusammen und hielt den Hörer ein Stück von ihrem Ohr weg.
»Ja bitte?«, sagte sie.
»Madam, geht es um den heutigen Unfall auf der Nebenlinie?«
»Ja, ja!«
Die Stimme war jetzt so laut, dass sie trotz des Sturms für alle hörbar war.
»Wir haben weitere Passagiere für Sie!«
»Weitere Passagiere?«, rief Emerald völlig entgeistert. Alle anderen waren ebenfalls fassungslos. Fassungslos und zutiefst bestürzt.
»Mehrere. Und sie müssen abgeholt werden. Sie haben die Gruppe verfehlt, die wir vorhin geschickt haben. Wie konnte das passieren?« Der Tonfall des Mannes war nun extrem scharf. »Wie, wenn ich fragen darf? Sie mussten sich auf eigene Faust durchschlagen!«
Emerald war schockiert über seine Aggressivität. Was hatten sie bloß getan, um das zu verdienen?
»Wir – nun, wir …«
»Sie dürfen die neue Gruppe auf keinen Fall verfehlen. Wir haben sie bereits zu Ihnen geschickt. Es gibt kein anderes geeignetes Haus in der Gegend. Sie müssen unbedingt unterwegs abgeholt werden, haben Sie das verstanden? Abgeholt und untergebracht.«
»Ja, wir holen sie«, hörte sie sich mit ruhiger Stimme sagen, ohne auf das flehentliche Gesicht ihrer Mutter zu achten.
»Sehr gut. Übrigens werden wir Sie heute Abend nicht mehr erreichen können«, fuhr die Stimme fort. Herrisch, blechern, wie ein Lautsprecher auf einer politischen Versammlung, der die Leute auffordert, sich zu zerstreuen, schallte sie quakend durch die Halle von Sterne. »Wir können heute Nacht nichts mehr tun. Haben Sie das verstanden?«
»Wirklich nicht?«, fragte Emerald. Ihr elfenbeinfarbenes, grünes und rosa Partykleid mit den fließenden Konturen, ihre üppigen braunen Haare, ihr glitzernder, perlenbesetzter Kamm, ihr cremeweißer Hals und ihr energisch hochgerecktes Kinn waren der Brennpunkt, auf den sich die Blicke all der vielen unterschiedlichen Menschen richteten. »Können Sie wirklich gar nichts tun?«, wiederholte sie.
»Nein«, sagte die Stimme noch lauter als bisher. »Sie müssen bis zum Morgen allein zurechtkommen. Es ist Ihre Pflicht. Wissen Sie, wie abgelegen Sie sind? Wissen Sie, wie weit jegliche Hilfe zu Ihnen hinausfahren muss? Sie müssen allein zurechtkommen. Unbedingt. Hören Sie mich noch?«
Emerald senkte den Kopf. »Ja, ich höre Sie.«
Hastig, als wäre Emerald, nachdem man ihr das klargemacht hatte, bereits in Vergessenheit geraten und als wäre es an der Zeit, sich anderen, drängenden Aufgaben zuzuwenden, fügte die Stimme hinzu:
»Die Great Central Railway entschuldigt sich für Ihre Unannehmlichkeiten. Auf Wiedersehen.« Ein lautes Knacken verriet, dass das Gespräch beendet war.
Allgemeine Stille.
Dann kreischte Elsie Goodwins Stimme: »Ach du meine Güte!«
Und ein Klicken. Und wieder Stille.
Die Familienmitglieder und die Gäste betrachteten die dicht zusammengedrängten Gesichter der Reisenden, die Reisenden starrten vage zurück. Charlie Traversham-Beechers, der Charlottes Arm für den Moment losgelassen hatte, stand ein Stück abseits, mit dem Rücken an der Wand, die Handflächen dagegengepresst, ein Glitzern in den Augen, das entweder Entschlossenheit oder Triumph ausdrücken konnte. Niemand achtete auf ihn, bis auf Smudge, die bei seinem Anblick zurückwich.
Emerald sah sich unter den Anwesenden um: Smudge in der Nähe der Treppe; die eifrigen, eleganten Gestalten ihrer Freunde und ihrer Familie; die finsteren, enttäuschten, unruhigen Fremden.
»Nun denn«, sagte sie. »Wie Sie gehört haben, wird es der Eisenbahngesellschaft nicht möglich sein, Sie noch heute abzuholen. Vielleicht hat das Wetter etwas damit zu tun.«
Wie um ihre Worte zu unterstreichen, prasselte der Regen noch gnadenloser gegen
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