Der ungeladene Gast
kleine Kätzchen hoch und tat wie geheißen.
Der Besucher nahm es. Das Kätzchen klammerte sich gewichtslos an seine dicken Finger. Über dem Tisch baumelnd, sah es sich blind um.
»Nicht! Sie halten es zu nah an die Flamme!«, rief Emerald, als sie, nachdem sie die aufgeregten Hunde ausgesperrt hatte, an ihren Platz zurückkam.
»Glauben Sie etwa, ich würde ein schutzloses Tier ansengen?«, fragte der Besucher, zog die Hand aber nicht zurück, sondern schwenkte das Kätzchen spielerisch über der leckenden Kerzenflamme hin und her.
Einer nach dem anderen unterbrachen die Anwesenden ihr Essen. Der Stint geriet in Vergessenheit, als alle Blicke sich auf das kleine Kätzchen richteten, das über dem Leuchter baumelte und die Krallen so weit ausgefahren hatte, wie es nur irgend ging. Der Gentleman schien sie provozieren zu wollen, schien sie herauszufordern, ein Machtwort zu sprechen, und erfüllte sie gleichzeitig mit dem Wunsch, seine Billigung zu finden. Niemand war so schwach wie Clovis, der zu kichern anfing. Emerald war fassungslos.
»Hören Sie damit auf!«, rief sie, und der Mann zog die Hand langsam zurück und grinste alle der Reihe nach aalglatt an.
»Wie dumm«, sagte er, »dass niemand geröstete Katze mag.«
Er ließ das Kätzchen auf Charlottes Hand fallen. Seine Pfoten fühlten sich auf ihrer Haut glühend heiß an.
Ein kurzes Schweigen trat ein, dann fingen alle auf einmal an zu reden, bis die Unterhaltung, gelöst durch Sherry, Essen und Erleichterung, eine solide, selbst laufende Richtung einschlug, die allen Anwesenden gefiel – außer vielleicht dem Besucher, der seinen Teller mit einer Brotrinde abwischte und unheilvolle Blicke über den Tisch wandern ließ.
Charlotte drückte das Kätzchen an ihre Wange und genoss dabei sowohl ihre vergleichbare Schönheit als auch den Eindruck der Liebenswürdigkeit, den sie durch ihr Verhalten erweckte.
»Armes Ding«, gurrte sie und tunkte den Finger in die fischig-feuchten Reste auf ihrem Teller, um ihn von der kratzigen Zunge des Tiers ablecken zu lassen.
»Ich weiß nicht, wer von euch beiden die schöneren Augen hat«, sagte Patience wie aufs Stichwort, wurde aber, da sie dem falschen Geschlecht angehörte, nicht weiter beachtet. Sie sah schüchtern zu Clovis hinüber und versuchte, die Verwirrung, die sein blendendes Erscheinungsbild bei ihr auslöste, durch eine Unterhaltung zu überspielen.
»Ich finde es sehr bedauerlich, dass wir Mr Swift nicht sehen werden, solange wir hier sind«, fing sie an.
Clovis war sich bewusst, dass sie von Traversham-Beechers beobachtet wurden, und seine Stimmung, so formbar wie Knetmasse, veränderte sich unter dem Einfluss des subversiven Fremden wie geschmeidiger Ton auf einer Töpferscheibe. Eine Rastlosigkeit, die durch die schnippische Patience nicht befriedigt wurde, machte sich in ihm breit.
Sie wartete auf seine Reaktion; ihr höflich aufmerksamer Blick überbrückte die Lücke zwischen ihren Stühlen. »Er ist in Manchester«, brummte er.
»Geschäftlich? Es scheint dort eine Menge Liquidationen zu geben, wenn man nicht einmal an einem Samstag auf seinen rechtlichen Beistand verzichten kann.«
Clovis ging nicht auf ihr Bemühen um einen leichten Ton ein und sah sie nur ausdruckslos an, aber der Besucher auf der anderen Seite des Tischs lachte plötzlich auf.
»Bildschön und auch noch geistreich«, sagte er anerkennend.
Patience, die sich daran erinnerte, wie er sie auf der Treppe angestarrt hatte (oder hatte sie es sich wirklich nur eingebildet?), errötete.
»Vielleicht könnte ich Sie in Versuchung führen.« Traversham-Beechers blickte sich am Tisch um. Sein vertraulicher Ton war eigentlich zu leise, um über den breiten Tisch hinweg bis zu Patience zu dringen, aber sie hörte ihn so deutlich, als hätte er ihr die Worte ins Ohr geflüstert; alle hörten ihn, als hätte er ihnen die Worte ins Ohr geflüstert.
»Vielleicht kann ich Sie alle in Versuchung führen.«
Binnen eines Augenblicks hatte er ihre gebannte Aufmerksamkeit. Die Unterhaltung geriet ins Stocken und verstummte dann vollends.
Wieder einmal richteten sich alle Augen auf Traversham-Beechers, der langsam in seine Brusttasche griff, ein silbernes Zigarettenetui hervorzog und es Patience hinhielt, die das schimmernde Ding verwundert ansah.
Charlotte setzte Tenterhooks auf dem Tischtuch ab. Wieder zeigte ihr Gesicht den Ausdruck, den es gehabt hatte, als sie den Besucher im Salon zum ersten Mal erblickte: erstaunt und
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