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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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und mit einem Stich, als hätte jemand sie mit einem Papiermesser in die Seite gepikst, dachte sie an die letzten Tage ihres Vaters zurück. Als sie damals gemerkt hatte, dass die Wissenschaft keine Antwort auf diese Krankheit zu bieten hatte, hatte sie alle kindischen Interessen beiseitegeräumt, sich auf weibliche Tugenden besonnen, sich nützlich gemacht, ihn gepflegt. Es war beileibe nicht das, was er sich für sie gewünscht hätte, wie es abgedroschen so oft hieß. Weit davon entfernt. Er hasste es. Aber so war es nun einmal. Ihr geliebter Vater war krank geworden, ihre Mutter völlig verzweifelt, ihr Bruder starr vor Schock. Ihr Opfer war notwendig. Und das war das Ende. Sie hatte nicht wissen können, dass sie wie eine verzauberte Prinzessin alles, was sie zuvor gewesen war, so komplett vergessen würde. Die Pflicht hatte ihr Herz mit einem Bann belegt.
    Smudge strich mit dem Finger über den ausgewickelten Objektträger. »Es sieht aus wie Zuckerguss. Am liebsten würde ich hineinbeißen«, sagte sie, das Gesicht im Fell des Kätzchens vergraben.
    »Du würdest Blut spucken und eines schrecklichen Todes sterben«, sagte Clovis.
    »Was ist das eigentlich?«, fragte Charlotte und sah sich ruhelos um. Sie wusste es natürlich sehr wohl, runzelte aber gereizt die Stirn, weil Patience typischerweise wieder einmal zu voller Form aufgelaufen war und etwas absolut Langweiliges auf die Party gebracht hatte.
    Ernest bemerkte ihren abfälligen Blick und runzelte finster die Stirn. Natürlich setzte er sofort wieder einen anderen Ausdruck auf, aber Charlotte hatte mitbekommen, wie er sie ansah, und hörte auf, sich nur auf sich selbst zu konzentrieren. Seine Reserviertheit hatte etwas durchaus Männliches, sinnierte sie, und seine Haare waren nicht mehr eigentlich rot, sondern eher … Sie suchte nach einem treffenden Vergleich – eher wie das Holz eines Brombeerstrauchs. Früher einmal hätte es ihr Spaß gemacht, den Zauber zu finden, der ihn in ihren Bann gezogen hätte.
    Traversham-Beechers beobachtete Charlotte wie ein Frettchen. Er erhob sich von seinem Platz und schob sich verstohlen auf sie zu. Atemlos beobachtete sie, wie er immer näher kam, und fürchtete, jemand könnte sie sehen und ihre Verbindung erraten, aber als sie gemeinsam am Fenster standen, blieben sie unbeobachtet.
    »Du hast dich überhaupt nicht verändert«, flüsterte er, obwohl er nicht das Geringste über sie wusste.
    »Seit ich dich das letzte Mal gesehen und verabscheut habe?«, fauchte sie.
    »Damals warst du nicht so unfreundlich wie jetzt«, spöttelte er.
    »Geh zurück auf deinen Platz, lass mich in Ruhe«, zischte sie, und er zog sich lächelnd zurück.
    Ganz gleich aus welchem Grund dieser Mann auf Sterne aufgetaucht war, Florence Trieves wusste, dass sie sich erst einmal um das Essen kümmern musste.
    »Und, Myrtle, sind wir so weit?«, keuchte sie, setzte sich in Bewegung und hielt die Tür mit dem Rücken auf.
    »Ja, Ma’am.«
    »Die verflixten Überlebenden sind sicher verwahrt?«
    »Alle im Studierzimmer, Ma’am. Und kein Mucks von ihnen.«
    »Dann los.«
    Die Servierplatten in den Händen, begaben sie sich zur wartenden Tischgesellschaft.
    »Ah!«, rief der bereits leicht alkoholisierte Besucher anerkennend, als ihm der Duft von Butter und zartem Fisch in die Nase stieg. »Ja!«
    Alle anderen bewahrten ihre guten Manieren und begaben sich trotz ihres Hungers mit schicklicher Zurückhaltung zum Tisch. Charlotte machte es sich wohlig auf ihrem Platz bequem.
    Florence tat allen auf, und bald waren die zarten gemalten Palmwedel und Blätter auf den kleinen Tellern verdeckt von Petersilie, Stinten, gekochtem Aal und den verschiedensten Soßen. Die ausgehungerten Gäste bedienten sich dankbar, während Florence den Tisch mit der Sherry-Karaffe umrundete. Als sie zu Traversham-Beechers kam, sah sie Charlotte an und deutete dann mit hochgezogenen Brauen in seine Richtung, und Charlotte gab ihr mit den Augen ein fast unmerkliches Zeichen. Die Bande zwischen ihnen verstärkten sich.
    Die beiden Spaniels, Nell und Lucy, waren aufgewacht, als sie das Kätzchen rochen, und rannten aufgeregt im Zimmer herum, stießen mit den Köpfen gegen die Möbel und bellten wie von Sinnen. Emerald zerrte die hysterischen Hunde nach draußen, während das Kätzchen, so stachlig wie die Schale einer Kastanie und kaum größer als eine solche, giftig hinter ihnen herfauchte.
    »Geben Sie mal her«, kommandierte Traversham-Beechers, und John hob das

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