Der ungeladene Gast
sie nun von ihm.
Traversham-Beechers sah Charlotte an. »Alles für meine Gastgeberin«, sagte er, »die uns alle so freundlich aufgenommen hat.«
Während er das sagte, hörten sie ein anschwellendes Flüstern, einen leisen Aufschrei der vergessenen Passagiere im Studierzimmer, wie von einem nächtlichen Wald, durch den der Wind streicht. Alle am Tisch hielten lauschend inne, erinnerten sich schuldbewusst daran, dass sie ihren Fisch verzehrt hatten, während sich niemand um das Wohlbefinden der unglückseligen Passagiere kümmerte. Nur Smudge hatte das Geräusch nicht bemerkt – das Kätzchen an ihr Ohr gepresst, hörte sie nur sein Schnurren.
Das kurze Schweigen wurde durch Myrtles überstürztes Erscheinen gebrochen, die einen Brotkorb hereinbrachte und auf den Tisch stellte. Der Brotkorb erinnerte Smudge daran, dass sie sich um das Pony Lady kümmern musste. Auch wenn sie auf der Geburtstagsfeier noch so viel Spaß hatte, durfte sie ihr Großes Unterfangen nicht vergessen. Mit einem Seufzer sprang sie auf.
»Entschuldigt mich bitte!« Sie setzte Tenterhooks auf ihren Stuhl und flitzte aus dem Zimmer.
Es bereitete ihr Unbehagen, auf dem Weg nach oben an dem wimmelnden Studierzimmer vorbeizumüssen, und sie rannte sowieso immer, wenn sie allein im Haus unterwegs war. Durch den Flur, durch die mit grünem Stoff bespannte Tür, in die Küche mit dem dort herrschenden Chaos – hastig sah sie sich um und entdeckte in einer Kiste auf dem Boden einen wurmstichigen Apfel und einen alten Kanten Brot. Sie griff sich beides, riss die Tür zur Hintertreppe auf und rannte keuchend hinauf.
Lady hatte sich die Zeit damit vertrieben, das Federbett zu zerkauen und mehrere Kohlestifte unter ihren Hufen zu zermalmen, aber es war kein ernsthafter Schaden entstanden. Jetzt döste sie mit hängender Unterlippe vor sich hin, ein Hinterbein elegant auf die Hufkante gestellt. Smudge setzte sich vor sie, fütterte sie und versuchte, den Kopf an die Wand gelehnt, wieder zu Atem zu kommen.
Die Luft in der Küche war zum Schneiden, so angefüllt war sie von Dampf und Dunst und allen möglichen Gerüchen. Schluss mit appetitanregenden kleinen Fischen und zarter beurre blanc; jetzt war es Zeit für das Fleisch.
Florence wischte sich den Schweiß von der Stirn und trocknete sich die Hände an der Schürze ab. Sie hätte gern ein frisches Kleid angezogen, das hier stand fast vor Schweiß. Sie konnte nichts mehr riechen; war schon zu lange mitten in diesem Getümmel; ihre Haarwurzeln, ihre Nagelhäutchen, die Sohlen ihrer Füße in den Stiefeln waren überzogen von fettigen Schichten; Bratensäfte, Fette, Stärken waren unbemerkt Teil von ihr geworden. Ihre Zunge war abgestumpft; sie hätte nicht einmal mehr eine eingelegte Zwiebel geschmeckt, hätte ihr jemand eine in den Mund gesteckt.
Sie richtete sich hoch auf, ganz still, absolut konzentriert. Keulen, Haxen, Brötchen, Schnur, Rosenkohl, Kaninchen, Beilagen, Verzierungen aller Art. Sie beugte sich vor. Ihre Finger arbeiteten an Achten, Spiralen, Rosetten, Muschelchen, winzig, winziger, am winzigsten.
Nachdem Smudge sich vergewissert hatte, dass das Pony keine unmittelbare Gefahr für sich selbst oder das Haus darstellte, trat sie den Rückweg ins Speisezimmer an. Als sie über den leeren oberen Treppenabsatz trottete, erwartete sie nicht, auf einen Mann zu stoßen, der soeben die Ecke der Treppe umrundete. Sie blieb wie angewurzelt stehen, die Hände vor sich gestreckt, wie um sich abzubremsen.
Er war riesig und wirkte noch riesiger und behäbiger durch den großen Reisesack, den er auf dem Rücken trug. Er hatte sich eine Mütze, so wie ein städtischer Angestellter sie tragen mochte, in die Stirn gezogen und tief liegende, brennende Augen über einem dichten Bart. Hinter ihm klammerten sich zwei kleine Kinder mit dünnen Beinchen verängstigt an das Geländer.
»Entschuldigen Sie, Miss«, sagte er.
Smudge wartete nicht ab, was er vielleicht sonst noch sagen wollte. Sie rannte den Korridor entlang, weg von ihm, und die Küchentreppe hinunter.
»Mrs Trieves!«
Florence kippte fast aus ihren Stiefeln. »Smudge! Miss Imogen! Großer Gott!« Ihre Kopfhaut kribbelte, vor Schreck oder Schweiß oder beidem.
»Sie müssen kommen und helfen«, rief Smudge, die zitternd und blass vor Angst am Fuß der Küchentreppe stand, aber Florence musste sich um andere Dinge kümmern.
»Nicht jetzt, nicht jetzt.«
»Ich war oben, weil ich – weil ich – und da war ein Mann! Ein
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