Der ungeladene Gast
ins Haus zurück.
Allmählich hatte Smudge nur noch den einen Wunsch, Lady in den Stall zurückzubringen, wagte sich aber nicht aus ihrem Zimmer. Die Szene, die sie im Speisezimmer beobachtet hatte, hatte sie furchtbar verängstigt, und jetzt erschallten die ungestümen Gesänge der Passagiere so laut, dass sie bis in ihr abgelegenes Zimmer zu hören waren.
Auch das Pony selbst war ihr inzwischen zur Last geworden, denn die Pferdeäpfel, die es überall fallen ließ, machten das Zimmer offen gestanden zu einem mehr als unerfreulichen Aufenthaltsort. Wie die Passagiere stellte auch Smudge fest, dass Unbehagen, Schmutz und Gestank die Folge waren, wenn man Zimmer zu Zwecken benutzte, für die sie nicht gedacht waren. Wenn sie das Fenster öffnete, prasselte der Regen herein; wenn sie es geschlossen hielt, war die Luft kaum erträglich. Sie versuchte, sich abzulenken, indem sie Mähne und Schweif des Ponys zu Zöpfen flocht und später, auf dem Boden liegend, das Flohspiel spielte, während draußen der Sturm tobte, aber beim Gedanken daran, für den Rest der Nacht mit dem Pony zusammen hier oben eingepfercht zu sein, graute es ihr.
In der Halle zogen John und Ernest ihre triefend nassen Jacken aus. Ernest konnte die Gruppe auf der Treppe nicht mehr sehen, und auch die einäugige alte Frau war verschwunden, aber merkwürdigerweise wirkten das Singen und das Reden sogar noch lauter als zuvor, hallten körperlos durch die Leere, und der faulige Geruch hing immer noch in der Luft. Vielleicht, vermutete Ernest, hatte einer aus der Gruppe eine unsaubere, schwärende Wunde, denn so etwas konnte, wie er wusste, extrem unangenehm riechen, allerdings war der Gestank so stark, dass er zahlreiche Schwären zur Ursache haben musste.
John lauschte. Er beschäftigte eine große Arbeiterschaft und wusste, wann er einen Mob vor sich hatte.
»Im Moment scheinen sie ganz guter Dinge zu sein«, sagte er. »Aber ich verstehe, was Sie meinen. Wir könnten tatsächlich Unannehmlichkeiten bekommen.«
»Wir müssen die anderen finden.«
»Vielleicht sollten wir Traverall-Beechers …«, fing John zögernd an. »Er hat es schon einmal geschafft, sie wieder zur Vernunft zu bringen – obwohl ich seinen Namen nur höchst ungern in den Mund nehme.«
»Dann lassen Sie es«, sagte Ernest kurz angebunden. »Wir kommen auch ohne ihn zurecht.«
Sie liefen die Treppe hinauf. An Emeralds Tür angelangt, verzichtete Ernest auf jede Etikette und klopfte ohne weitere Umschweife einfach an.
»Ich bin’s, Ernest«, rief er. »Bist du da drin, Emerald?«
»Ja«, lautete ihre gedämpfte Antwort.
»Ist die Tür abgeschlossen?«
Mit einer Kopfbewegung gab John ihm zu verstehen, was er vorhatte, und ging den Korridor entlang, um Clovis zu suchen.
»Wieso fragst du?«, fragte Emerald.
Ernest senkte diskret die Stimme.
»Ich halte es für das Beste, wenn du in deinem Zimmer bleibst«, sagte er.
Offensichtlich war die Neugier stärker als ihr Bedürfnis, sich zu verstecken, denn einen Moment später hörte er, wie der Schlüssel gedreht wurde, und Emerald spähte heraus.
»Wieso?«, fragte sie.
Wenn seine Schwester weinte, wurde ihr Gesicht ganz schmal und blass. Emeralds Gesicht hatte sich auf völlig andere Weise verändert. Ihre Lider und Lippen waren angeschwollen, ihre Wangen tränenverschmiert, ihre Haare zerzaust und aufgelöst. Er vergaß die Passagiere. Emerald erinnerte ihn an eine Pfingstrose in einem Wolkenbruch, nur weniger intensiv in der Farbe – vielleicht eher an eine Rose. Aufgewühlt sah er sie an.
»Wieso soll ich in meinem Zimmer bleiben?«, fragte sie erneut.
»Wegen der Passagiere. Sie treiben sich im ganzen Haus herum und verhalten sich ziemlich – ausschweifend. Wir müssen sie wieder unter Kontrolle bringen.«
»In einem abgeschlossenen Schlafzimmer kann ich nicht viel dazu beitragen, oder?«, sagte sie mit einem Schniefen. »Einen Augenblick.«
»Ich finde nicht, dass …«, fing er an, aber es hatte keinen Zweck. Sie machte ihm die Tür vor der Nase zu. Einen Moment später kam sie wieder zum Vorschein, nachdem sie sich offensichtlich Wasser ins Gesicht gespritzt und einen Versuch unternommen hatte, ihre Haare ein wenig zu bändigen.
»Ernest«, sagte sie zerknirscht. »Es – das alles tut mir so unendlich leid.«
»Vergiss es einfach«, antwortete er so steif, dass nichts mehr zu sagen blieb. Trotz ihrer Bemühungen, sich etwas herzurichten, steckte der Kamm, der ihre Haare geschmückt hatte, schief in einer
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