Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
aber er erkennt Clausen. Sie sind fast Nachbarn. Keller beschließt, das Beobachtete zu Geld zu machen. . . wir haben es mit einem verdammten Dreckskerl zu tun, das kann ich dir sagen.«
»Erpresser sind niemals so richtig sympathisch«, sagte Van Veeteren.
»Stimmt«, sagte Reinhart. »Auf jeden Fall schickt er deinen Sohn an diesem Dienstag nach Dikken, um das Geld zu holen. Ich weiß nicht, ob du von Keller weißt, aber er war zwei Jahre Bewährungshelfer für Erich ... Wir wissen nicht einmal, ob er Erich bezahlen wollte. Vielleicht hatte Keller etwas gegen ihn in der Hand. Clausen weiß nicht, wer der Erpresser ist, er hat schon ein Leben auf dem Gewissen und will sich nicht in Abhängigkeit begeben. Er bringt Erich in dem Glauben um, den Erpresser vor sich zu haben.«
Er verstummte. Einige Sekunden verstrichen, die Reinhart vorkamen wie fünf Jahre. Danach nickte Van Veeteren zum Zeichen, dass er weitererzählen sollte.
»Danach haben wir den Mord an Vera Miller. Willst du auch darüber mehr hören?«
»Natürlich.«
»Ich weiß nicht, warum Clausen auch sie umbringt, aber sicher hängt es auf irgendeine Weise mit Keller und Erich zusammen. Clausen und Vera Miller hatten seit kurzer Zeit ein Verhältnis. Ja, so langsam dämmert uns, was hier los ist. Das Erpressungsmotiv und Aron Keller hast du uns geliefert, leider sind wir zu spät auf der Bildfläche erschienen. Am Donnerstag oder Freitag der vergangenen Woche muss etwas passiert sein, vermutlich sollte Clausen jetzt richtig zur Kasse gebeten werden. Er hat sich von der Sparkasse ein Darlehen bewilligen lassen. Hat zweihundertzwanzigtausend in bar abgehoben und ist seither verschwunden.«
»Verschwunden?«, fragte Van Veeteren.
»Wir wissen ja, was das bedeuten kann«, sagte Reinhart trocken. »Es ist nicht so schwer, da Spekulationen aufzustellen. Aron Keller ist am Samstag nach New York geflogen. In dem Hotel, in dem er zuerst abgestiegen ist, wohnt er nicht mehr, wir haben mit denen Faxe gewechselt. Wir wissen nicht, wo Clausen steckt. Er hat keinerlei Spuren hinterlassen, aber er scheint jedenfalls nicht verschwunden zu sein. Sein Pass und sogar seine Brieftasche liegen noch bei ihm zu Hause. Ich habe eigentlich nur eine Theorie, und zwar ... also, dass Keller ihn umgebracht hat. Ihn ermordet und irgendwo vergraben. Leider. Ich fürchte ... ich fürchte, du wirst niemals dem Mörder deines Sohnes von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen.«
Van Veeteren trank einen Schluck Bier und schaute aus dem Fenster. Eine halbe Minute verging.
»Wir können wohl nur hoffen, dass wir irgendwann seine Leiche finden werden«, sagte Reinhart und fragte sich zugleich, warum er das gesagt hatte. Als ob das irgendein Trost sein könnte.
Den Leichnam des Mannes kennen zu lernen, der einem den Sohn genommen hat? Absurd. Makaber.
Van Veeteren gab keine Antwort. Reinhart betrachtete seine Hände und zerbrach sich den Kopf über etwas, das er sagen könnte.
»Ich habe ein Foto von ihm«, sagte er endlich. »Du kannst ihn dir also ansehen, wenn du willst. Und von Keller übrigens auch.«
Er zog zwei Fotokopien aus der Brieftasche und legte sie auf den Tisch. Der Kommissar betrachtete sie eine Zeit lang mit gerunzelter Stirn und gab sie dann zurück.
»Warum hätte Keller ihn denn umbringen sollen?«, fragte er.
Reinhart zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß es nicht. Das Geld muss er jedenfalls bekommen haben, sonst hätte er ja wohl kaum nach New York düsen können. . . das glaube ich zumindest. Aber da sind natürlich noch viele Fragen offen. Vielleicht hat Clausen auf irgendeine Weise seine Identität herausgebracht. Keller ist ein ziemlich merkwürdiger Typ ... und er wusste, dass Clausen vor keinem Mord zurückschreckt. Er wollte sichergehen, ganz einfach. Wenn Clausen wirklich wusste, wer der Erpresser war, dann muss Keller gewusst haben, dass er gefährlich lebte.«
Van Veeteren schloss die Augen und nickte vage. Eine weitere stumme halbe Minute verstrich. Reinhart gab seine krampfhafte Suche nach Lichtblicken auf und versuchte stattdessen, sich vorzustellen, wie dem Kommissar wohl zu Mute war. Das hatte er natürlich die ganze Zeit getan, mehr oder weniger, und es wurde nicht leichter, wenn er sich darauf konzentrierte. Dass der Sohn ermordet wird, allein das — und dass der Mörder danach von einem anderen Verbrecher aus dem Weg geschafft wird, der auf seine Weise an Erichs Tod ebenso die Schuld trägt wie der eigentliche Mörder. Oder
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