Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
später werden wir es finden, wir müssen nur Geduld bewahren. . . so schrecklich ungewöhnlich ist das alles ja nicht, oder?«
»Überhaupt nicht ungewöhnlich«, gab Moreno zu. »Aber es wäre auch nicht schlimm, wenn es bald passieren würde. Damit wir ungefähr wissen, in welche Richtung es geht, meine ich.«
»Fromme Hoffnung«, sagte Reinhart. »Nein, jetzt machen wir Schluss für heute. Ich glaube, ich habe eine Familie, wenn ich mich richtig erinnere. Zumindest hatte ich heute Morgen noch eine. Und wie sieht das derzeit bei dir aus?«
»Ich bin mit dem Beruf verheiratet«, sagte Moreno.
Reinhart sah sie an und hob die Augenbrauen.
»Du solltest die Scheidung einreichen«, sagte er mit ernster Stimme. »Begreifst du denn nicht, dass er dich nur ausnutzt?«
Am Donnerstagabend machten sie den ersten ein wenig offizielleren Versuch, die Lage zusammenzufassen. Fünfeinhalb Tage waren vergangen, seit Erich Van Veeterens Leichnam draußen in Dikken im Gebüsch beim Parkplatz gefunden worden war. Nein, seit jemand ihn dort abgelegt hatte — wenn diese Berechnungen nicht völlig daneben waren. Es war im Grunde also höchste Zeit. Auch wenn sie bisher nicht viel vorlegen konnten.
Sie fingen mit der Freundin des Opfers an.
Marlene Frey war von Reinhart und Moreno mehrere Male vernommen worden — unter größtmöglicher Rücksichtnahme und Höflichkeit natürlich, und sie hatte, so weit beide das beurteilen konnten, sich alle Mühe gegeben, um ihnen mit Auskünften zu helfen und die Polizei ganz allgemein weitestgehend zu unterstützen. Es bestand kein Grund zur Klage über mangelnde Kooperationsbereitschaft. Vor allem dann nicht, wenn sie die Umstände in Betracht zogen, und das taten sie.
Die mit Freunden und Bekannten des Toten durchgeführten Verhöre waren inzwischen auf die ansehnliche Anzahl von zweiundsiebzig angewachsen — eine ziemlich bunt gewürfelte Sammlung von Interviews, wenn sie ehrlich sein wollten, und das wollten sie, doch mit zwei auffälligen Gemeinsamkeiten: Niemand hatte irgendeine Vorstellung, wer Erich Van Veeteren ans Leben gewollt haben mochte, und niemand hatte die geringste Ahnung davon, was er an diesem schicksalhaften Dienstag draußen in Dikken zu suchen gehabt hatte.
Was die Aussagen in und um die Trattoria Commedia anging, so waren auch diese ein wenig mehr geworden, wie die Inspektoren Rooth und Jung berichteten — aber nur sehr wenig —, und hier kristallisierte sich langsam ein — möglicherweise — kleiner
roter Faden heraus, der erste und bisher einzige in der ganzen Ermittlung. Das Mannsbild mit den dunklen Haaren und dem Bart, das am betreffenden Dienstag kurz vor sechs von Liesen Berke in der Bar gesichtet worden war, wurde durch zwei weitere Gewährsleute in seiner Existenz bestätigt: durch den Barkeeper Alois Kummer und den Koch Lars Nielsen, die beide hundertprozentig (macht zweihundert Prozent, wie Rooth optimistisch hochrechnete) davon überzeugt waren, dass solch eine Gestalt ungefähr zu diesem Zeitpunkt für wenige Minuten bei einem Bier im Lokal gesessen hatte.
So sicher wie das Amen in der Kirche und die Nutten in der Zwille, wie es in der Stadt hieß.
Die Beschreibung ließ auch nicht viel zu wünschen übrig — zumindest nicht, was die Übereinstimmung anging. Dunkle Haare, dunkler Bart, dunkle Kleidung und Brille. Der Koch Nielsen glaubte sich auch erinnern zu können, dass am Barhocker des Betreffenden eine Plastiktüte gestanden hatte; was ihm von Seiten Kummers und Berkes jedoch nur ein Schulterzucken einbrachte. Keine Zustimmung, aber an sich auch kein Widerspruch.
Als Rooth und Jung diese bedeutsamen Tatsachen — diese einzigen Lichtblicke, und das nach fünf Tagen harter Arbeit —, zusammengefasst hatten, fühlte Rooth sich reif für eine kühne Schlussfolgerung.
»Das war der Mörder, der da gesessen hat, darauf verwette ich meine Seele. Denkt daran, wenn wir ihn geschnappt haben, dass ich das schon vorher gewusst habe!«
Niemand war bereit, diese Prognose aus dem Stegreif zu unterstützen, aber sie beschlossen auf jeden Fall, so schnell wie möglich Steckbrief und Suchmeldung zu veröffentlichen.
Sicherheitshalber, auf jeden Fall.
Um bei der Besprechung wenigstens einen Entschluss gefasst zu haben.
12
Er erwachte in der Wolfsstunde.
Das passierte ihm derzeit ab und zu.
Nie, wenn Vera Miller bei ihm war oder wenn er sie bald erwartete, dann niemals. Inzwischen trafen sie sich einmal pro Woche, von Samstag auf Sonntag, und
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