Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
noch etwas aufgefallen?
Nein, was hätte das sein sollen?
Hatten sie in der Bar keine Gäste bemerkt?
Nein, von ihrem Tisch aus hatten sie die Bar nicht einsehen können.
Aber hatten sie dort auf ihrem Weg nach draußen jemanden bemerkt?
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Doch, einen kleinen Herrn im Anzug. Mit etwas dunklerem Teint ... Araber vielleicht. Oder Indianer oder so?
Rooth knirschte mit den Zähnen. Jung bedankte sich und versprach — auf Frau Schwarzens eindringliche Bitte hin —, dass sie den Mörder in Windeseile hinter Schloss und Riegel bringen würden.
Denn war es nicht einfach entsetzlich? Und noch dazu in Dikken! Konnten sie sich an die gekreuzigte Prostituierte erinnern, vor einigen Jahren war das gewesen!
Doch, das taten sie, aber zum Glück erschien jetzt die nächste Abgesandte der Detektei Allgemeinheit.
Sie hieß Liesen Berke. Sie war um die Vierzig und hatte so ungefähr zwischen Viertel vor sechs und halb sieben in der Bar
der Trattoria gesessen. Warum sie dort gesessen hatte, erwähnte sie nicht weiter, sie hatte ja wohl zum Teufel das Recht, ein Glas zu trinken, wo immer und wann immer sie Lust dazu hatte.
»Aber natürlich«, sagte Jung.
»Zwei sogar«, sagte Rooth. »Wenn Sie Lust haben.«
»Kennen Sie diese Person?«, fragte Jung und zeigte ihr das Foto.
Sie betrachtete es drei Sekunden lang und schüttelte energisch den Kopf.
»Er saß an einem Tisch im Restaurant, zwischen ...«
»Ist das der Ermordete?«, fiel sie ihm ins Wort.
»Genau«, sagte Rooth. »Haben Sie ihn gesehen?«
»Nein. Ich habe Zeitung gelesen.«
»Aha«, sagte Rooth.
»Aha?«, gab Liesen Berke zurück und musterte ihn über den Rand ihrer achteckigen Brille hinweg. Über den obersten Rand.
»Hrrrm«, sagte Jung. »Saßen in der Bar noch andere Gäste?«
Sie wandte ihren Blick von Rooth ab und dachte nach.
»Zwei, glaube ich ... ja, zuerst hing da so ein fetter Bonzentyp herum, aber der ist dann bald verschwunden. Dann kam ein anderer. Lange Haare und Bart. Und dunkle Brille, bilde ich mir ein ... sah aus wie eine Art Rockkünstler. Totaler Macho. Depraviert.«
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«, fragte Jung.
Liesen Berke schnaubte verächtlich.
»Nein«, sagte sie. »Natürlich nicht.«
»Und er hat nicht versucht, Sie anzusprechen?«, fragte Rooth.
»Ich habe Zeitung gelesen.«
»Das war sehr richtig von Ihnen«, sagte Rooth. »Man sollte in Kneipen nicht mit fremden Männern reden.«
Jung bedachte ihn mit einem Blick, der ihn zum Schweigen brachte. Verdammt, dachte er. Warum wird der nicht auf einen Kurs für Diplomatie geschickt?
Liesen Berke kniff den Mund zu einem Strich zusammen und starrte Rooth an, als sei er ein ungewöhnlich hässliches Stück Hundekot, auf das sie aus Versehen getreten war und das sich nicht von ihrer Schuhsohle kratzen ließ. Und zweifellos von einem Rüden stammte. Rooth schaute zur Decke hoch.
»Wie lange war er da?«, fragte Jung. »Dieser depravierte Rockmusiker?«
»Das weiß ich nicht mehr. Nicht sehr lange, glaube ich.«
»Was hat er getrunken?«
»Keine Ahnung.«
»Er hat aber die Bar vor Ihnen verlassen?«
»Ja.«
Jung dachte nach.
»Würden Sie ihn wiedererkennen?«
»Nein. Er hatte kein Aussehen. Er bestand nur aus Haaren und Brille.«
»Alles klar«, sagte Jung. »Vielen Dank, Frau Berke, ich hoffe, ich darf noch einmal auf Sie zurückkommen. Sie waren uns eine außergewöhnlich große Hilfe.«
»Wie hast du diesen letzten Satz gemeint?«, fragte Rooth, nachdem sie hinter Liesen Berke die Tür geschlossen hatten. »Außergewöhnlich große Hilfe, was ist das für ein Scheißgefasel?«
Jung seufzte.
»Ich wollte nach deiner Charmeoffensive nur ein wenig Öl auf ihre Wunden gießen«, erklärte er. »Außerdem kann dieser Barbesucher doch von einem gewissen Interesse sein. Wir müssen uns erkundigen, ob auch der Barkeeper sich an ihn erinnern kann.«
»Eine Chance von eins zu zehn«, meinte Rooth. »Aber vielleicht ist bei diesem Match kein besseres Verhältnis möglich.«
»Hast du einen anderen Vorschlag?«, fragte Jung.
Rooth dachte nach.
»Wir könnten gleich zum Essen bleiben, wenn wir ohnehin
schon hinfahren«, sagte er. »Auch, um eine neue Perspektive zu gewinnen.«
»Depraviert«, sagte Jung. »Hat sie wirklich depraviert gesagt?«
Ewa Moreno ließ sich in den Besuchersessel in Reinharts Büro sinken.
»Du arbeitest immer noch?«
Reinhart schaute auf die Uhr. Es war halb sieben. Er wünschte sich, es
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