Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
den einen oder anderen Weißkittel«, sagte deBries.
Reinhart nuckelte an seiner Pfeife und machte ein verbissenes Gesicht.
»Wir machen es so«, sagte er nach einigen Sekunden Nachdenkens. »Ich rufe den Oberarzt an ... oder den Krankenhauschef oder wie immer der sich nun nennt. Der soll uns das ganze Register geben, wir können nur hoffen, dass da auch Fotos dabei sind. Wäre doch gelacht, wenn uns das nicht wenigstens etwas weiterbringen würde ... Inspektor Rooth hat nicht zufällig auch eine kleine Theorie über den Zusammenhang mit Erich Van Veeteren?«
Rooth schüttelte den Kopf.
»Ich dachte, ich hätte eine«, sagte er. »Aber die habe ich vergessen.«
DeBries seufzte laut. Reinhart drückte auf den Stoppknopf, und damit war die Besprechung beendet.
Er hatte sich wieder für das Vox entschieden — und Van Veeteren hatte nichts dagegen —, aber an diesem Abend konnten sie sich auf keine Sängerin mit Samtstimme freuen. Und auch auf keine andere Musik, da Dienstag war. Montag und Dienstag waren Nebensaison, und außer Reinhart und Van Veeteren hatte sich an den metallblanken Tischen höchstens eine Hand voll Gäste eingefunden. Der Kommissar war schon zur Stelle, als der Kommissar eintraf. Zum ersten Mal kam er Reinhart alt vor.
Oder vielleicht nicht alt, nur auf diese Weise resigniert, die viele ältere Menschen auszustrahlen scheinen. Als hätten einige strategische Muskeln in Kreuz und Nacken endlich alles satt und sich deshalb zum letzten Mal zusammengezogen. Oder den Dienst aufgegeben. Er nahm an, dass Van Veeteren schon sechzig war, war sich aber nicht sicher. In Bezug auf den Kommissar gab es viele kleine Unklarheiten, und sein richtiges Alter war eine davon.
»Guten Abend«, sagte Reinhart und nahm Platz. »Du siehst müde aus.«
»Danke«, sagte Van Veeteren. »Ich schlafe nachts nämlich nicht mehr.«
»Ach verdammt«, sagte Reinhart. »Ja, wenn Unser Herr uns den Schlaf raubt, tut er uns nicht gerade einen Gefallen.«
Van Veeteren klappte den Deckel seines Drehmaschinchens hoch.
»Er tut uns schon seit Jahrhunderten keine Gefallen mehr. Weiß der Teufel, ob er es je getan hat.«
»Kann schon sein«, sagte Reinhart. »Über Gottes Schweigen seit Bach hat man ja gelesen. Zwei Dunkelbier, bitte.«
Das Letzte galt dem aus den Schatten getretenen Kellner. Van Veeteren steckte sich eine Zigarette an. Reinhart stopfte sich die Pfeife.
Schwer, dachte er. Das hier wird ein schwerer Abend.
Er zog die Kassette aus der Jackentasche.
»Und ich kann dir auch kein Evangelium bringen«, gab er zu.
»Aber wenn du eine Einschätzung unserer Lage möchtest, dann hör dir das hier an. Das stammt von der heutigen Besprechung. Keine Wahnsinnserfahrung natürlich, aber du weißt ja, wie das so geht. Der, dessen Stimme du nicht kennst, heißt Bollmert.«
»Immerhin«, sagte Van Veeteren. »Doch, ich merke ja, dass es nicht leicht ist, sich herauszuhalten.«
»Klingt sehr begreiflich«, sagte Reinhart. »Wie gesagt.«
Er zog Vera Millers Foto hervor.
»Kennst du diese Frau?«
Van Veeteren betrachtete das Bild einige Sekunden lang.
»Ja«, sagte er. »Schon.«
»Was?«, fragte Reinhart. »Was zum Teufel willst du damit sagen?«
»Wenn ich mich nicht irre, meine ich«, sagte Van Veeteren und gab das Foto zurück. »Krankenschwester im Gemeinde. Hat sich vor zwei Jahren bei meiner Darmoperation um mich gekümmert. Sympathische Frau, was hast du mit ihr zu tun?«
»Das ist Vera Miller. Die am Sonntagmorgen draußen in Korrim ermordet aufgefunden worden ist.«
»Die, die auf irgendeine Weise etwas mit Erich zu tun hatte?«
Reinhart nickte.
»Das ist nur eine Hypothese. Ungeheuer vage bisher, falls du sie nicht vielleicht bestätigen kannst.«
Der Kellner brachte das Bier. Jeder trank einen Schluck. Van Veeteren sah sich noch einmal das Foto an, schüttelte langsam den Kopf und machte ein düsteres Gesicht.
»Nein«, sagte er. »Es ist der pure Zufall, dass ich mich an sie erinnere. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat Meusse diesen Zusammenhang entdeckt?«
»Meusse, ja. Er meint, dass der Nackenschlag darauf hinweist. Es ist ein etwas besonderer Schlag, sagt er. In beiden Fällen. . . ja, du kennst ja Meusse.«
Van Veeteren versank in Schweigen. Reinhart steckte sich
die Pfeife an und ließ ihn in aller Ruhe grübeln. Spürte plötzlich, dass ein starker Zorn in ihm aufstieg. Ein Zorn auf den, der den Sohn des Kommissars umgebracht hatte. Und Vera Miller.
Aber war es nun einer
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