Der Ungnädige
war eine einzige Sinfonie in Cremeweiß– Sofas, Teppiche, alles Ton in Ton. Es war ein riesiger Raum, der so kalt und ausdruckslos wirkte wie der gigantische Flachbildschirm an der Wand. Er erinnerte mich eher an ein Hotel als an ein Privathaus. Nirgends deutete etwas auf die Bewohner hin, keine persönliche Note bei der Auswahl der Möbel und Stoffe. Aber alles wirkte unglaublich luxuriös, und ich kontrollierte verstohlen meine Schuhsohlen, damit ich keine Spuren auf dem Teppich hinterließ. Heimlich amüsiert registrierte ich, dass Rob genau das Gleiche tat. Nur Small kannte keine Skrupel dieser Art. Er trug schwere Schnürschuhe mit Profilsohlen, die deutliche Dreckspuren auf dem hohen Flor hinterließen, als er forsch auf die zweiflügelige Tür am anderen Ende des Zimmers zuging. Seitlich neben der Glastür blieb er stehen und warf unauffällig einen prüfenden Blick hindurch. Stirnrunzelnd nickte er.
» Hier sind wir richtig, Chefin. «
Marla Redmond holte tief Luft und warf schnell noch einen prüfenden Blick auf ihr Gesicht in dem goldgerahmten Spiegel über dem Kamin.
Als ich hinter ihr den Wintergarten betrat, konnte ich Gayle Skinner zunächst gar nicht erkennen, so sehr blendete mich das einfallende Sonnenlicht. Nachdem sich meine Augen daran gewöhnt hatten, konnte ich sehen, dass ich in einem achteckigen Raum stand, der inklusive Dach vollständig aus Glas bestand. Die Fenster waren allesamt geschlossen, sodass es furchtbar stickig und heiß war– bestimmt über 30 Grad. Mein Hals fühlte sich schlagartig staubtrocken an. Nach ein paar blinzelnden Blicken erspähte ich schließlich auch Mrs. Skinner, die auf einem seitlich von uns stehenden Korbsofa saß. Sie trug ein weißes, eng anliegendes Kleid, das alles andere als keusch wirkte, und eine große Sonnenbrille, hinter der ihr Gesicht fast komplett verschwand. Vermutlich war sie nicht viel älter als ich, obwohl man das durch ihr Make-up und die Brille nicht so genau erkennen konnte. Auf jeden Fall hatte sie extrem jung geheiratet. Skinner gehörte zu den Männern, die eine deutlich jüngere Ehefrau bevorzugten. Sicher schon allein deshalb, weil sie sich leichter dominieren ließ.
DCI Redmond ging mit ausgestreckter Hand auf sie zu.
» Gayle, bitte entschuldigen Sie die Störung. «
» O nein « , stöhnte sie affektiert. » Müssen Sie andauernd hier auftauchen? «
» Nur wenn es Neuigkeiten gibt. « Trotz Gayles anmaßender Art blieb Marla freundlich und gelassen.
» Das hier ist die Frau, die versucht herauszufinden, was mit Cheyenne passiert ist. « Zur Antwort machte Gayle eine träge Geste in Richtung des schmalgesichtigen Herrn, der neben ihr in einem Sessel saß. Er hatte sich unglaublich entspannt zurückgelehnt. Seine Haare wirkten so ebenmäßig schwarz, dass sie wohl nur gefärbt sein konnten. » Darf ich vorstellen? Das ist Kenneth Goldsworthy. Kenny ist ein Freund von John. «
» Na, das ist ja mal eine Überraschung. « Es war unmissverständlich, dass Marla Redmond diesen Namen kannte– und wir anderen auch. Bedfordshire und Hertfordshire waren sein Revier. In beiden Grafschaften gehörte ihm das Drogenmonopol, er strich den Löwenanteil der Einnahmen aus den Bordellen in Luton und Stevenage ein, betrieb in ganz großem Stil Geldwäsche über eine Reihe von legalen Unternehmen und stand daher permanent im Fokus von mindestens zwei Polizeibehörden. Er war ein aalglatter Typ, der sich hochkarätige Anwälte leisten konnte und noch keine einzige Nacht hinter Gittern verbracht hatte, worauf er auch außerordentlich stolz war.
Davon einmal abgesehen stand er in dem Ruf, alles andere als ein guter Freund von John Skinner zu sein. In den Neunzigerjahren hatten sich die beiden erbitterte Grabenkämpfe geliefert, die äußerst blutig und gewalttätig vonstattengegangen waren und letztendlich dadurch beendet wurden, dass sich Goldsworthy aus den von ihm unterwanderten Londoner Gebieten zurückzog und seine Unternehmungen in Surrey, Sussex und Kent abstieß. Nach Informationen des Geheimdienstes hatten die beiden Kontrahenten das Territorium unter sich aufgeteilt, wobei Skinner allerdings deutlich besser weggekommen war. In den vergangenen zehn Jahren hatten sie komplett unabhängig voneinander agiert und so getan, als wäre der andere gar nicht existent. Das hieß jedoch keineswegs, dass Goldsworthy das Wachsen und Gedeihen von Skinners Imperium neidlos hinnahm. Was er hier bei Gayle verloren hatte und weshalb er sich mit offenem
Weitere Kostenlose Bücher