Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey

Vom Netzwerk:

etwas muss ein ranghöherer Kollege übernehmen « , erklärte sie leicht pikiert. » Und das ist in diesem Fall Chief Superintendent Charles Godley. Er ist Chef der Mordkommission. «
    Gayle sagte der Name offenbar nichts, aber Ken Goldsworthy entfuhr ein ersticktes Lachen, was er durch ein gekünsteltes Hüsteln zu überspielen versuchte. » Na, da wird John ja begeistert sein. «
    » Er wird vor allem wollen, dass der Mörder seiner Tochter zur Verantwortung gezogen wird « , entgegnete Marla spröde.
    » Ja genau, das sag ich auch. «
    Mit Tassengeklapper kündigte sich Lydia an. Sie stellte das Tablett ab und klammerte sich weinend an Gayles Hals.
    » Unsere arme Kleine. Was sollen wir denn ohne sie machen? «
    Damit war es um Gayles labile Selbstbeherrschung geschehen. Sie gab jegliche Haltung auf, brach in hemmungsloses Schluchzen aus und klammerte sich an ihre Haushälterin.
    » Ich denke, ich verdrück mich mal lieber « , murmelte Ken Goldsworthy in sich hinein.
    Als er durch das Wohnzimmer verschwinden wollte, heftete sich Rob an seine Fersen, und ich folgte dicht hinter ihm. Das Wohnzimmer war angenehm kühl und dämmerig. Goldsworthy blieb stehen und nahm seine Sonnenbrille ab. Ich schloss die Glastür hinter mir– direkt vor DS Smalls Nase und nicht ohne ihn mit einem meiner vernichtendsten Blicke zu bedenken. Natürlich war ihm klar, dass der Fall nicht mehr seiner war, aber das hieß nicht, dass ihm das auch gefiel.
    » Mr. Goldsworthy, dürfte ich Sie noch kurz sprechen, bevor Sie gehen? « , sagte Rob freundlich.
    » Ich glaub nicht, dass ich dazu was zu sagen habe « , antwortete er und kramte in seiner Hosentasche nach dem Autoschlüssel. Aus der Nähe betrachtet sah man ihm sein Alter doch an: er hatte Falten um die Augen, und die Haut an seinem Hals wurde schon schlaff. » Grüßen Sie Charlie von mir. Wie geht’s ihm denn? «
    » Ich werde ihm ausrichten, dass Sie sich nach ihm erkundigt haben. Weiß John Skinner eigentlich, dass Sie hier sind? «
    » Nur wenn er die Bude hier verwanzt hat. Ich hab gehört, dass er im Knast sitzt? « , fragte er grinsend. » Der arme alte John. Hat im Moment nicht gerade ’ne Glückssträhne, was? «
    » Kann man so sagen. « Rob trat auf ihn zu. » Aber es würde mich schon interessieren, was Sie hier wollen. Sie beide sind ja nicht unbedingt die besten Freunde. Was machen Sie hier bei Mrs. Skinner? «
    » Ich wollte ihr meine Anteilnahme übermitteln. Ich hab gehört, dass ihre Tochter verschwunden ist. «
    » Sie hören so einiges, was? «
    » Ich bleibe eben dran. Wissen ist Macht, hat mal ein schlauer Mensch gesagt. « Er holte hörbar Luft. » Weiß bloß nicht mehr, wer das war. Aber auf jeden Fall hatte er Recht. «
    » Sie haben nicht zufällig auch was darüber gehört, wer Cheyenne entführt haben könnte? « Das war zwar ziemlich ins Blaue geschossen, aber auf jeden Fall einen Versuch wert, dachte ich.
    Er schüttelte den Kopf. » Kein Wort. Aber wenn ich was mitkriege, dann erfahren Sie es als Erster. «
    » Sehr freundlich von Ihnen. «
    » Ich werd mein Bestes tun. «
    » Wir müssen durchaus in Betracht ziehen, dass es einer von Johns Feinden war. Also jemand, der sich vielleicht aus irgendeinem Grund an ihm rächen wollte « , sagte Rob mit gespielter Dramatik. » Helfen Sie mir doch mal auf die Sprünge– wer hatte doch gleich diesen kleinen Zwist in den Neunzigern für sich entschieden? Hatte nicht John am Ende einen Großteil des Reviers bekommen? Und Sie mussten sich mit Beds und Herts zufriedengeben? Das ist ja nicht gerade eine Goldgrube, oder? «
    » Wenn Sie denken, dass ich was damit zu tun habe, liegen Sie voll daneben « , sagte er mit ausdrucksloser Stimme. » Ich geh doch nicht los und entführe anderen Leuten ihre Kinder. Also, verstehen Sie mich nicht falsch– ich bin ganz bestimmt kein Fan von John Skinner und hab auch überhaupt nichts dagegen, dass er diesen ganzen Ärger am Hals hat. Aber mit dem Verschwinden von diesem Mädchen hab ich echt nichts zu tun. «
    » Und wieso sollte ich Ihnen das glauben? Sie haben doch irgendwas vor. « Rob rückte ihm ein bisschen auf die Pelle. Er war größer und kräftiger als Goldsworthy, der leichtfertigerweise keine Verstärkung mitgebracht hatte. Gelegentlich war ein bisschen Drohkulisse durchaus wirkungsvoll, und ich war dankbar, dass Rob dabei war und diesen Part übernahm. » Wieso sind Sie hier, Kenny? «
    » Wie ich gehört habe, wird John so schnell nicht wieder rauskommen.