Der Ungnädige
«
» Das glauben wir alle. « Meg lachte bitter auf. » Die Einzigen, die uns nicht ernst genommen haben, waren die von der Kripo. «
» Das tut mir sehr leid. Ich versichere Ihnen, dass wir der Sache jetzt intensiv nachgehen. «
» Das ist ein bisschen spät « , entgegnete sie und stutzte dann: » Wieso rufen Sie eigentlich gerade jetzt an? Gibt es was Neues? «
» Wir vermuten, dass Patricia etwas mit dem Verschwinden eines jungen Mädchens zu tun haben könnte. «
» Zu tun haben könnte? Was soll das heißen? «
» Dazu kann ich im Moment keine Auskunft geben. «
» Also, wenn Sie keine Auskunft geben, dann erfahren Sie von mir auch nichts « , erklärte sie kategorisch.
» Es wäre aber sehr hilfreich, wenn Sie unsere Fragen beantworten würden. « Frustriert bohrte ich meinen Stift in die Schreibtischplatte. » Es könnte Patricia helfen. «
» Natürlich will ich ihr helfen, aber sie soll keine Probleme dadurch kriegen. «
» Darum geht es doch gar nicht « , sagte ich hastig. » Das Wichtigste ist, sie zu finden. «
Als sie antwortete, war sie schon milder gestimmt: » Ich hätte nie gedacht, dass so was passieren würde. Dass sie einfach so verschwindet. Hätte ich sie doch nur gefragt, wohin sie an diesem Abend wollte. Ich hab mir solche Vorwürfe deswegen gemacht. «
Na also. » Sie denken also, dass sie ausgehen wollte? «
» Ja klar, auf jeden Fall. Sie hatte sich total schick gemacht und geschminkt und alles, bevor sie los ist. Nie im Leben wollte sie einfach nur nach Hause, wie sie behauptet hat. Helen und ich haben aber nichts weiter dazu gesagt, weil wir sie nicht bedrängen wollten. «
» Und was haben Sie gedacht? «
» Wir haben angenommen, dass sie mal wieder ein Date hat. «
» Mal wieder ein Date? Ich dachte, sie war Single. «
» War sie ja auch « , seufzte Meg. » Patricia hatte da einfach Pech. Nie hat sie den Richtigen getroffen. Sie war furchtbar schüchtern, aber sie wollte unbedingt heiraten und Kinder kriegen. Aber das war für sie unerreichbar. Am College war sie mal schrecklich verliebt gewesen, aber der Kerl war anscheinend ein richtiger Spinner– so ein langhaariger Hippie, ein abgedrehter Tierschützer, der sich wahrscheinlich mehr für Karnickel interessiert hat als für eine Beziehung. Pat ist ihm ohne Sinn und Verstand hinterhergerannt, weil sie immer dachte, dass er sie irgendwann bemerken würde, aber dann wurde sie auch noch auf einer Demo verhaftet. Das war typisch für sie. Ich meine, Patricia war kein bisschen radikal. Sie hat das nur gemacht, weil sie ihn beeindrucken wollte. «
Das hörte sich alles nicht gerade nach einer starken Persönlichkeit an, was mich nur noch mehr beunruhigte. Leute wie sie ließen sich leicht manipulieren und zu haarsträubenden Dingen anstiften. Aber ich brannte darauf herauszufinden, dass Patricia ein unschuldiges Opfer war und keine Handlangerin von Cheyennes Entführer.
Unterdessen sprudelte Meg unaufhaltsam weiter. » Sie hat echt Jahre gebraucht, um drüber hinwegzukommen. Dabei sind die beiden kein einziges Mal zusammen ausgegangen! Sie meinte, dass sie nie wieder jemanden wie ihn finden würde. « Verächtliches Schnauben. » Ich meine, dieser Typ war der absolute Loser. Der hatte, glaube ich, noch nicht mal ’nen richtigen Job. Aber Pat hat in allen Leuten nur das Gute gesehen, ganz egal, wie sie wirklich waren. «
» Manche Menschen sind so. «
» Ja, aber damit machen sie sich das Leben enorm schwer. Ein bisschen Kaltschnäuzigkeit braucht man doch, um klarzukommen, oder? «
» Manchmal hilft das. Aber Sie haben vorhin gesagt, dass sie ab und zu Verabredungen hatte? «
» Ja, genau. Zumindest haben Helen und ich das immer gedacht. Vor ungefähr drei Jahren hat sie es mit Singleseiten im Internet und Speed-Dating und so probiert, aber das hat nie richtig funktioniert. Erst war sie immer ganz aufgeregt, wenn ihr jemand nette Mails geschrieben hat. Sie dachte immer gleich, das wär die ganz große Liebe, bloß weil sich jemand für sie interessierte– sie wollte unbedingt den Richtigen finden. Aber das hat nie geklappt. Sie haben sich entweder nie wieder gemeldet oder fiese Kommentare über ihr Aussehen abgegeben. Das hat ihr Selbstvertrauen so ruiniert, dass sie es wieder gelassen hat. Sie meinte, entweder lernt sie jemanden ganz normal kennen oder halt gar nicht. Aber dann, ein paar Monate vor ihrem Verschwinden, benahm sie sich plötzlich anders, hat dauernd gesimst, sich besser angezogen und überhaupt
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