Der Ungnädige
dieser Aktion dabei zu sein, aber die Niederlage tat trotzdem weh. Der Gesichtsverlust war das eine, aber der Verlust von Godleys Vertrauen etwas ganz anderes. Ich konnte um Entschuldigung bitten, was ich natürlich längst getan hatte, aber ich erwartete nicht, dass die Sache in Vergessenheit geriet, bevor ich von Neuem unter Beweis gestellt hatte, was ich tatsächlich draufhatte.
Nach einer Weile– ich nahm an, dass inzwischen alle gegangen waren– schlenderte ich zurück zur Einsatzzentrale, und tatsächlich fand ich den Raum nahezu verwaist vor. Der einzige Schreibtisch, an dem noch jemand saß, war der von Liv, die emsig vor sich hin arbeitete.
» Warum bist du denn nicht bei den anderen? «
Sie drehte sich auf ihrem Stuhl herum. » Aus irgendeinem unerfindlichen Grund geht’s mir nicht so besonders. Also hab ich mich bereiterklärt, den Papierkram zu übernehmen. Die Staatsanwaltschaft braucht die Fallunterlagen, wenn es mit dem Strafantrag schnell gehen soll. «
Ich verzog das Gesicht. » Vor dem Job würden die meisten schreiend davonrennen. «
» Ach, mich stört das nicht. Ich fülle gerne Formulare aus. «
» Das ist ja widernatürlich. «
» Mir gefällt’s. Ich bin ein ordnungsliebender Mensch. « Sie drehte sich wieder um und arbeitete weiter, nur gelegentlich trank sie einen Schluck Wasser. Ganz offensichtlich hoffte sie immer noch darauf, mit erhöhter Flüssigkeitszufuhr ihr Befinden verbessern zu können. Ich lächelte etwas schief. Im Laufe des Tages hatte ich mich allmählich wieder wie ein Mensch gefühlt, bis exakt zu dem Moment, als meine Welt aus den Fugen geriet. Damit meinte ich noch nicht mal die Tatsache, dass ich es irgendwie geschafft hatte, mir einen gruseligen Verehrer zuzulegen. Und nichts anderes war er, wie ich mir eindringlich ins Bewusstsein rief. Die Fotos nervten und beunruhigten mich, aber Angst hatte ich keine. Dennoch war ich heilfroh, dass Rob in Battersea wohnte, auf der anderen Seite des Flusses und ausreichend weit weg von meiner jetzigen Adresse.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und legte mein Handy genau in die Mitte. Es war völlig sinnlos, es anzustarren, bis es klingelte– das wusste ich. Und doch konnte ich den Blick einfach nicht davon abwenden.
» Alles okay? « Liv kam zu mir herüber.
Ich erklärte ihr, was ich tat, und sie nickte. » Das tut mir so leid. Wenn ich dich nicht in die Kneipe gezerrt hätte, hättest du in Ruhe deine Arbeit machen können. «
» Jetzt komm mir bloß nicht auf solche Ideen. Es war ganz allein meine Entscheidung. Du hast mich doch nicht gezwungen. Du hast mir nur eine Gelegenheit geboten, mich vor meiner Arbeit zu drücken, den Rest habe ich selbst verbockt. « Ich schüttelte den Kopf und tat, als regte ich mich auf. » Genau deshalb kommen wir Frauen nämlich nicht voran. Weil wir immer die Verantwortung für den Mist übernehmen wollen, den andere verbockt haben. Du solltest die Situation lieber ausnutzen und versuchen, dich bei Derwent einzuschleimen, während ich schief angesehen werde. «
Sie machte ein Würgegesicht. » Also, ich muss doch sehr bitten. Bevor du das nächste Mal so etwas Unschönes vorschlägst, warnst du mich aber vor. «
Ich grinste. » Trotzdem… «
» Ja, trotzdem, es tut mir wirklich leid. «
» Also gut. Völlig unnötige Entschuldigung hiermit angenommen. «
Etwas unschlüssig sah sie mich an. » Du hast überhaupt nichts zu diesen Fotos gesagt– macht dich das nicht irgendwie fertig? «
» Ja und nein. Ich bin natürlich nicht begeistert, dass mir da einer so nachgeschlichen ist, aber eigentlich nervt mich viel mehr, dass ich den Kerl nicht bemerkt habe. Ich meine, das hätte doch nicht so schwer sein sollen. «
» Solche Leute können sich eben perfekt tarnen. Ganz sicher ist der nicht mit ’ner riesigen Spiegelreflexkamera rumgerannt– du weißt doch, dass die alle möglichen Tricks haben, ihre Ausrüstung zu verstecken. Und die meisten von den Fotos stammen aus deiner Wohngegend. Sicher wäre es dir also nicht mal komisch vorgekommen, wenn du da jemanden mehrfach gesehen hättest. «
» Ja schon, aber mir ist eben niemand aufgefallen. Ich hatte ja noch nicht mal das Gefühl, beobachtet zu werden. Meine Intuition hat mich total im Stich gelassen. « Ich versuchte, mich darüber lustig zu machen, aber mein mangelnder Spürsinn setzte mir schon gewaltig zu.
» Na ja, du hast auch eine ganze Menge am Hals. «
» Ich sollte wohl ein bisschen kürzertreten. «
» Ganz
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