Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
Vom Netzwerk:
mir doch gedacht. «
    » Hilfe, du kannst ja wohl Gedanken lesen, oder? Wie hast du das denn rausgekriegt? «
    » Ich achte halt auf Körpersprache. Ihr habt beide ausgesehen, als müsstet ihr euch furchtbar anstrengen, ernst zu bleiben, als ihr aus dem Besprechungsraum kamt. «
    » Ist das auch anderen aufgefallen? « Es beunruhigte mich ein bisschen, dass wir uns anscheinend allzu offenherzig verhalten hatten.
    » Glaube ich nicht. Die waren alle ganz fiebrig wegen der Verhaftung dieser Brüder. «
    Ich drehte mein Handgelenk so, dass ich meine Uhr sehen konnte. » Wahrscheinlich ist das inzwischen erledigt. Alles vorbei. Vielleicht haben sie sogar Patricia schon gefunden. «
    » Oder ihre Leiche. «
    Liv hatte zwar Recht, trotzdem verpasste diese Bemerkung meiner Stimmung einen Dämpfer. Ich konnte den Gedanken an ihre armen Eltern kaum ertragen. Mit meinem Anruf hatte ich ihnen sicher den ersten Hoffnungsschimmer seit Jahren gegeben, und es würde auch meine Aufgabe sein, ihnen diese Hoffnung wieder zu nehmen, falls es keine guten Nachrichten gab. Wieder einmal verfluchte ich DS Rai. Wenn er doch nur ordentlich gearbeitet und sich mehr um diesen Fall gekümmert hätte– dann hätte ich die Farinellis in Ruhe lassen können, bis ich eine wirkliche Nachricht für sie hatte, welcher Art auch immer. Während der nächsten Minuten herrschte Schweigen im Auto, bis wir die Peripherie von Enfield erreicht und die richtige Ausfallstraße gefunden hatten.
    » Wir suchen nach einem großen Haus, das nicht direkt an der Straße liegt. Es heißt Bonamy Lodge. Wenn es, wie DI Stone gesagt hat, schon vor zehn Jahren ziemlich marode war, dann wird es nicht gerade ein Palast sein. «
    » Alles klar. «
    Hecken säumten die Straße, und man erkannte die Häuser erst, wenn man mehr oder weniger schon davorstand. Ich manövrierte das Auto die Straße entlang, beschleunigte und bremste ab, bis Liv etwas davon murmelte, dass sie gleich eine Kotztüte bräuchte.
    » Das kann ich jetzt auch nicht ändern. «
    » Doch, du könntest ein gleichmäßiges Tempo beibehalten, das gerade so schnell ist, damit ich die Häusernamen noch lesen kann– ah, da ist es ja. « Sie zeigte über meinen Kopf hinweg.
    Ich riss das Steuer herum, und der Wagen schoss durch das schmale Tor, auf das der Name des Hauses aufgemalt war. Kies knirschte unter den Rädern. Es war schon einige Zeit her, dass sich jemand um die Einfahrt gekümmert hatte. Unkraut hatte sich überall breitgemacht. Ich hielt auf einer großen, freien Stelle direkt vor der Eingangstür, wo Besucher des Hauses anscheinend zu parken pflegten.
    » Ist ja lauschig « , kommentierte Liv und schaute nach oben.
    » Kann ich nicht nachvollziehen, was daran lauschig sein soll. « Das Haus war ein düsterer Klotz im edwardianischen Stil, grau und abweisend, mit einem Überzug aus Kieselrauputz, der es auch nicht hübscher machte. Ich sah Giebel links, rechts und in der Mitte, als wäre dem Architekten nichts eingefallen und er hätte einfach noch ein paar davon verteilt, wo ihm sein Entwurf zu trist vorgekommen war. Die Zeit hatte es nicht gut gemeint mit dem Haus. Die Holzteile waren verwittert, die Farbe abgeblättert, und das Dach hatte Löcher an den Stellen, wo die Schindeln heruntergefallen und nie ersetzt worden waren. Auf der rechten Seite ächzte die Dachrinne unter dem Gewicht eines Ahornbäumchens. Die Fenster waren dunkel und schmutzig. Es sah ganz so aus, als würde es doch nicht zu einem Gespräch mit Michael Bancroft kommen.
    Wir stiegen beide aus, und ich ging zur Haustür. Die Klingel funktionierte nicht, also versuchte ich es mit dem Türklopfer. Das Geräusch war zu laut. Hinter mir rauschte ab und zu ein Auto vorbei, Vögel sangen in den hohen immergrünen Bäumen, von denen das Grundstück umgeben war, aber das war auch schon alles, was ich hörte. Die Bäume waren völlig vernachlässigt und verwildert, wodurch sie erstklassig dazu taugten, das Grundstück von den Nachbarn und der Straße abzuschirmen. Ich war unruhig und nervös und überlegte, ob es nur der Schlafmangel war, der mich so dünnhäutig machte, oder doch die Erkenntnis, dass man mich beobachtet hatte.
    Auf mein Klopfen reagierte niemand. Aber eigentlich hatte ich auch nicht damit gerechnet. Ich trat ein paar Schritte zurück und schirmte die Augen mit der Hand ab, während ich zu den Fenstern im ersten Stock hinaufsah, auf der Suche nach Lebenszeichen.
    » Was meinst du? «
    Liv ging über den knirschenden Kies

Weitere Kostenlose Bücher