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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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aussagt. Was hätte ihm da ihr Tod noch bringen sollen? «
    Rob zuckte die Schultern. » Weil er pervers und bösartig ist. Weil er es ihr nicht gönnt zu leben. Weil er es witzig findet, uns zu belügen. Such dir was aus. «
    » Das alles, würde ich sagen. «
    » Da hast du vermutlich Recht. «
    » Er wollte, dass sie langsam und qualvoll stirbt, einfach so. « Ich schüttelte den Kopf. » Ich muss mich schwer beherrschen, um es nicht schade zu finden, dass Skinners Jungs unterbrochen wurden, als sie mit ihm beschäftigt waren. «
    » Kein Vertrauen, dass die Strafjustiz das schon regelt? «
    » Kein bisschen. «
    Rob und ich standen immer noch mitten auf dem Korridor. Er sah sich unruhig um. » Ich glaub, ich sollte dann mal wieder… «
    » Geht klar. Bis später. «
    Er winkte Liv kurz zu und wandte sich zum Gehen, kam aber doch noch einmal zurück und nahm mein Gesicht in die Hände. » Ich bin so unglaublich froh, dass du diesmal nicht als Patientin hier bist. «
    » Und ich erst « , antwortete ich gerührt.
    Er zog mich an sich und küsste mich. Der Kuss dauerte so lange, bis Liv sich räusperte und sagte: » Leute… «
    Ich war schon auf ihre Sticheleien gefasst, aber als wir uns umdrehten, sah sie ziemlich betreten aus. Rob ließ mich hastig los, und nach einem kurzen Schulterblick begriff dann auch ich, was los war: Superintendent Godley kam mit eiligen Schritten auf uns zu. Er hätte blind und beschränkt sein müssen, um nicht mitzubekommen, was wir da eben getan hatten– und das war er nachweislich beides nicht. Daher wappnete ich mich schon mal für einen angemessenen Kommentar seinerseits, wohl wissend, dass wir nichts zu unserer Verteidigung vorzubringen hatten.
    Aber der Rüffel wurde offenbar vertagt, denn er fragte sofort sehr geschäftig: » Wie sieht’s aus mit Lee? «
    » Im Moment gibt’s da nicht viel. Er schläft erst mal drüber. Sie haben festgestellt, dass sein Arm gebrochen ist, der muss erst noch behandelt werden. Vor morgen werden wir also nicht mit ihm reden können. « Rob war nicht die leiseste Nervosität anzumerken, und ich wünschte mir nur einen Bruchteil seiner Selbstbeherrschung.
    Dann wandte Godley sich an mich: » Und was ist mit Patricia? «
    Aber ehe ich antworten konnte, stand plötzlich eine Krankenschwester neben mir und sagte: » Sind Sie Maeve? Die Patientin fragt nach Ihnen. «
    » Können wir jetzt mit ihr sprechen? « , erkundigte sich Godley.
    » Wenn sie es will, ist das in Ordnung. Aber sie ist wahrscheinlich noch ein bisschen benebelt. Der Arzt hat ihr was zur Beruhigung gegeben, weil sie sich dauernd den Tropf rausgezogen hat. « Die Schwester musterte uns eindringlich. » Sie ist ja in einem schlimmen Zustand. Was ist denn mit ihr passiert? «
    » Das wollen Sie lieber nicht wissen « , antwortete Rob locker, aber so bestimmt, dass sich weitere Fragen von selbst erübrigten. Die Schwester zuckte die Schultern und ging ihrer Wege.
    Godley nickte Rob zu. » Sie sollten zurück zu Harry gehen. Wenn ich hier fertig bin, komme ich zu Ihnen hoch. Maeve, würden Sie zuerst reinschauen und sehen, wie es Patricia geht? Sagen Sie ihr, dass wir da sind und gern mit ihr reden würden– aber nur wenn sie will. Wenn sie noch nicht so weit ist, will ich sie nicht bedrängen. «
    » Geht klar. « Ich setzte mich in Richtung ihres Krankenzimmers in Bewegung, während Rob in die entgegengesetzte Richtung ging. Ich hätte einiges dafür gegeben, jetzt mit ihm reden zu können. Aber ich zwang mich, diesen Wunsch beiseitezuschieben, ebenso wie den bedrohlichen Gedanken, dass meine Karriere mal wieder in Gefahr war. Oder, wie Derwent es ausdrücken würde: ziemlich am Arsch. Also musste ich jetzt bei Patricia ganz besonders glänzen. Ich straffte die Schultern, klopfte an und öffnete die Tür, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Sie saß im Bett und wirkte vor den aufgetürmten Krankenhauskissen dünner und zerbrechlicher denn je. Statt ihrer verdreckten eigenen Sachen trug sie jetzt ein unförmig großes Nachthemd. Ihr Kopf saß überproportional auf den schmalen Schultern. Ihr Gesicht und ihre Lippen waren bleich, und durch das Valium waren ihr die Augenlider schwer hinter den dicken Brillengläsern.
    Ich setzte ein Lächeln auf. » Wie geht es Ihnen? «
    » Ganz okay. « Sie antwortete deutlich verzögert, als müssten ihre Gedanken erst einmal den arzneibedingten Nebel durchdringen. Hölzern hob sie einen Arm. Ihr Handgelenk war bandagiert, wo die Kette gescheuert hatte. »

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