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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Sie haben mich mit einer Nadel gestochen. «
    » Darüber werden Sie mit Flüssigkeit versorgt, weil Sie völlig dehydriert waren. «
    » Aber ich will nicht damit gefesselt sein. « Matt schüttelte sie den Arm, sodass der Plastikschlauch ans Bettgestell schlug. Es erinnerte mich schmerzhaft daran, wie sie mit der Kette gerasselt hatte.
    » Der Tropf hängt an einem Gestell mit Rollen. « Ich zeigte es ihr. » Wenn es Ihnen besser geht und Sie wieder mehr Kraft haben, können Sie aufstehen und damit herumlaufen. «
    Sie beugte sich herüber, um sich davon zu überzeugen, und sank dann mit einem tiefen Seufzer wieder in die Kissen.
    » Sind Sie müde? «
    » Ein bisschen. « Sie strich mit den Händen über die Bettdecke. » Komisches Gefühl. «
    » Ist immer so im Krankenhaus. « Ich wusste, dass sie das nicht meinte, aber ich wollte, dass ihr alles so normal wie möglich vorkam und sie selbst sich auch so fühlte. Eine freundlich-gelassene Sachlichkeit– so unnatürlich sie war– erschien mir der einzig mögliche Tonfall, um mit ihr zu reden. » Patricia, fühlen Sie sich in der Lage, sich mit mir und meinen Kollegen ein bisschen zu unterhalten? «
    Ihre Hände hielten inne. » Worüber denn? «
    » Über die letzten 18 Monate. «
    » Seit sie mich entführt haben? «
    » Genau. «
    Sie senkte den Kopf und überlegte. » 18 Monate. So lange? «
    » Plus/minus ein paar Tage. «
    » Am Anfang hab ich versucht, den Überblick nicht zu verlieren, aber das war schwer. Ich durfte keine Markierungen an der Wand oder auf dem Fußboden machen. Das haben sie ab und zu kontrolliert. Wenn sie da was gefunden hätten… « Sie verstummte, ballte eine Hand zur Faust und deutete einen Schlag an.
    Dabei war es doch ein absolut menschliches Grundbedürfnis, den Lauf der Zeit zu verfolgen, um ein Minimum an Orientierung zu behalten. Aber selbst das hatten sie ihr verwehrt.
    » Also, wäre das in Ordnung? Nur mit Liv, die Sie ja schon kennen gelernt haben, und meinem Chef Charles Godley. «
    » Ist der sehr streng? « , flüsterte sie.
    » Nein, überhaupt nicht « , antwortete ich und hoffte, dass ich Recht hatte. Sie hatte zumindest nichts von ihm zu befürchten. Offenbar konnte ich Patricia überzeugen, denn sie nickte zustimmend. Etwas skeptisch ging ich zur Tür und bat Godley und Liv herein. Ich hatte große Angst davor, etwas Ungewohntes in seinem Blick wahrzunehmen– zumindest Missbilligung oder, wenn ich Pech hatte, sogar Enttäuschung. Doch soweit ich es einschätzen konnte, war er wie immer, als er Liv ins Krankenzimmer folgte und sich am Fußende des Bettes postierte.
    » Es freut mich, Sie endlich kennen zu lernen, Patricia. Es tut mir sehr leid, dass wir Sie so schnell schon mit Fragen belästigen müssen. Aber uns hilft es sehr, wenn wir wissen, was passiert ist, bevor wir mit dem Herrn sprechen, den wir soeben festgenommen haben. «
    » Welchem Herrn denn? «
    » Lee Bancroft. «
    » Den größeren der beiden Brüder. « An Godley gewandt fügte ich hinzu: » Patricia kannte ihre Namen nicht. «
    » Und wo ist der andere? « Trotz der Beruhigungsmittel sah sie völlig verängstigt aus.
    Ohne zu zögern und ohne jedes Pathos antwortete Godley: » Der ist tot. «
    » Sind Sie sicher? «
    » Ich habe seine Leiche gesehen. « Mehr sagte er nicht dazu, und ich hoffte inständig, dass Patricia nicht weiter nach dem Wie und Wann fragte.
    Sie verzog das Gesicht und wimmerte leise. Ein Geräusch, von dem sich mir die Nackenhaare aufstellten. » Er ist tot. Er ist wirklich tot. «
    » Ja, das ist er. «
    Zum zweiten Mal sah ich sie weinen, diesmal jedoch vergoss sie stille Tränen, die unter ihrer Brille hervorrollten, ihr über die Wangen liefen und vom Kinn heruntertropften. Aber das schien sie gar nicht zu bemerken.
    » Alles in Ordnung, Patricia? «
    » Es ist nur, dass ich davon geträumt habe, dass er stirbt. Ich habe mir so sehr gewünscht, dass er tot ist. Und jetzt sagen Sie mir, dass er nicht mehr lebt, und ich…ich habe ihn so schrecklich gehasst. «
    » Manchmal hält einen gerade das am Leben, wenn es sonst nichts mehr gibt « , sagte ich leise.
    » Ja. Das stimmt. Genau das war es. Ich wollte ihm diesen Triumph nicht gönnen, dass ich aufgebe. «
    » Warum haben Sie Drew so sehr gehasst? « , fragte Godley.
    » Weil er derjenige war, der mich getäuscht hat. Von ihm stammten die Mails. «
    » Auf diesem Dating-Portal? «
    Sie nickte. » Er hat sich da als jemand ganz anderes ausgegeben. «
    » Vincent « ,

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