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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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unermüdlich gerackert, um es zurückzuzahlen. Stück für Stück hat er sich etwas Neues aufgebaut. « Sie zeigte auf die Tür, hinter der sich das Büro ihres Mannes befand. » Es sieht nach nicht viel aus, aber es lief gut für ihn. Er war sehr intelligent. Zu intelligent eigentlich, um für andere zu arbeiten. Die Selbständigkeit war für ihn viel besser. «
    Für mich hörte sich das eher so an, als wäre er ein schwieriger Angestellter gewesen. Und außerdem klang es danach, als wäre er sehr wohl schuldig gewesen. Die Geschichte von seiner Untergebenen klang für mich genauso unglaubwürdig wie für seinen obersten Chef, und dabei kannte ich diese Frau nicht einmal. Die Leute glaubten immer, im Internet unsichtbar zu sein. Selbst technisch versierte Leute wie Ivan Tremlett unterschätzten oft, wie einfach es war, sie aufzuspüren, ihre Exkursionen in die düsteren Winkel des Datendschungels zu verfolgen, wo Gräuel hochgeladen und verkauft wurden, und dies dann vor Gericht zu beweisen. Aber gut, dass sie diese Fehler machten, denn das erleichterte unsere Arbeit ganz erheblich.
    » Offenbar hatte er sehr festgefügte Gewohnheiten. « Als Gegengewicht zu Derwents eher konfrontativer Taktik bemühte ich mich um einen sanften Ton. » Sind Sie deshalb gestern Abend so besorgt gewesen? «
    » Man konnte förmlich die Uhr nach ihm stellen und den Tag um ihn herum planen. Das habe ich auch gemacht. « Sie lachte kurz auf. » Die Jungs haben immer ihr Abendessen bekommen, wenn er nach Hause kam. Wir waren uns einig, dass es wichtig für sie war, Zeit mit uns beiden zu verbringen, und er hat sich immer zu ihnen an den Tisch gesetzt und mit ihnen geredet, während sie gegessen haben. «
    » Konnte er gut mit ihnen umgehen? «
    Augenblicklich war sie auf der Hut und musterte Derwent feindselig. » Was soll das heißen? «
    » Na ja, er hatte ja dieses Büro hier, wo er von den Jungs nicht gestört werden konnte. Das war doch so? Sind sie ihm auf die Nerven gegangen? «
    » Ab und zu schon. Wenn er sich konzentrieren musste. « Ihre Körperhaltung lockerte sich wieder, und die Anspannung schien zu weichen. Doch ich nahm an, dass sie ebenso gut wie ich wusste, dass Derwents Frage nach Ivan Tremletts Verhältnis zu seinen Söhnen eine ganz gezielte war. Mich interessierte, ob sie ihm so weit vertraut hatte, dass sie ihn mit den Kindern allein ließ, und schon ihre nächste Bemerkung beantwortete diese Frage.
    » Meine Mutter wohnt bei uns. Wir haben eine Einliegerwohnung im Souterrain. Sie ist eingezogen, als Ivan verhaftet wurde, und dann ist sie geblieben. «
    » Und wie findet das Ihr Vater? «
    Sie sah ihn verständnislos an. » Was sollte ihn das kümmern? Ach so, ja. Das konnten Sie nicht wissen. Meine Eltern sind geschieden. Sie haben sich getrennt, als ich acht war. Beide haben wieder geheiratet, und beide haben sich wieder scheiden lassen. Mein Vater ist jetzt bei Ehefrau Nummer drei. Meine Mutter hat sich nicht mehr um eine neue Beziehung bemüht. Zwei gescheiterte Ehen reichen ihr, sagt sie. «
    » Sind Sie Einzelkind? «
    » Mehr oder weniger. Ich habe vier Halbgeschwister aus den anderen Ehen meines Vaters, aber ich bin das einzige Kind meiner Mutter. «
    » Sie stehen sich sicher recht nahe. «
    » Das stimmt. Sehr sogar. « Ihre Miene wurde weicher. » Es ist wundervoll für mich und die Jungs, sie so nahe bei uns zu haben. Sie lieben sie abgöttisch. «
    » Was hat Ihr Mann von dieser Lösung gehalten? Schließlich wären manche Männer nicht gerade begeistert, wenn sie feststellen, dass ihre Schwiegermutter bei ihnen eingezogen ist, während sie mal kurz weg waren. « Derwent war plump und direkt wie immer.
    » Er hat sich nicht beschwert. « Das hieß nicht, dass es ihm gefallen hat, und Claudia versuchte gar nicht erst, uns das weiszumachen. » Es ist eine in sich abgeschlossene Wohnung. Sie hat sich nie aufgedrängt. Und Ivan war klug genug zu wissen, dass es gut war, sie bei uns zu haben. Sie kümmert sich um die Jungs, wenn ich mal nicht da bin, und das kam ja auch ihm gelegen. «
    Die nächste Frage auf diskrete Weise zu stellen, war kaum möglich, und Derwent versuchte es auch gar nicht erst. » Ist Ihre Mutter davon ausgegangen, dass er schuldig war? «
    Sie erstarrte. » Wir haben nie darüber gesprochen. «
    » Schon seltsam, so gar nicht darüber zu sprechen, oder? Lag das daran, weil Sie nicht hören wollten, was sie dachte? «
    Statt beleidigt zu tun, neigte Claudia den Kopf zur Seite und

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