Der Unheimliche
Einfälle haben. Ich sagte: >Das ergibt sich so,
wenn man den ganzen Tag im Büro des Sheriffs sitzt und nichts zu tun hat!<«
Beide Wachtmeister hatten ein
breites Grinsen im Gesicht. Zählte man den Beamten vom Dienst noch mit, so
waren es drei. »Und was wollen Sie jetzt unternehmen?« fragte ich Hammond.
»Das geht Sie doch eigentlich
nichts an, Lieutenant, Oder ?« Er betrachtete einen
Augenblick seine Fingernägel. »Aber ich gehöre nicht zu den Leuten, die anderen
etwas nachtragen. Der Telefonnummer sind wir bereits nachgegangen und haben die
Adresse. Wir fahren gleich hin und bringen den mit, der da am andern Ende der
Leitung hockt. Vielleicht haben Sie Lust, mitzukommen, Lieutenant? Wollen Sie
mal sehen, wie ein normaler Polizeibeamter arbeitet?«
Die Wachtmeister lachten
wohlgefällig vor sich hin. Dem jungen Mann des Sheriffs wurde hier eine Lektion
erteilt, und sie genossen es in vollen Zügen.
»Nein, danke«, antwortete ich.
»Ich möchte meine Zeit nicht vergeuden.«
»Was meinen Sie damit?« fragte
er mißtrauisch.
»Sie erwarten doch wohl nicht
im Ernst, jetzt jemanden am Telefon sitzend anzutreffen?« fragte ich.
»Warum denn nicht?«
»Dieses Geschäft mit
Call-Girls«, erklärte ich ihm mit einer Stimme, mit der man einem
zurückgebliebenen Kind etwas Einfaches auseinandersetzt, »braucht mehr als nur
Call-Girls. Es braucht auch Kunden. Aber es braucht auch noch etwas mehr als
nur Kunden. Es braucht auch Menschen, die den Kunden heranschaffen, zum
Beispiel Barmixer, Taxifahrer und Hotelboys...«
»Na und?« fragte er unbeirrt.
Ich lächelte ihn an. »Als Sie
sich damit aufspielten, ein Beamter zu sein, der sich streng an die üblichen
Regeln hält, und als Sie mit zwei hiesigen Polizeibeamten auf Ihren Fersen durch
das ganze Hotel polterten, haben Sie alle Leute mit der Nase darauf gestoßen,
daß Sie tatsächlich ein Polizeibeamter sind und noch dazu von der
Mordkommission! Und als Sie das Mädchen abführten, ließen Sie alle Welt wissen,
es sei nun verhaftet. Es ist doch wohl damit zu rechnen, daß jemand, der für
Schlange Lannigans Organisation arbeitet, das Ganze
beobachtet haben muß. Raten Sie mal, was so einer als erstes tut? Geht er was
trinken — oder läuft er zum nächsten Telefon, um dem Burschen am anderen Ende
einen Wink zu geben, daß eins der Mädchen gerade verhaftet worden ist?«
Hammond sah mich einen
Augenblick lang finster an und wandte sich dann zu seinen Wachtmeistern um.
»Kommen Sie!« rief er wütend. »Was stehen Sie denn noch hier herum? Fahren
wir!«
Sie marschierten aus dem Revier
hinaus, und ich zündete mir eine Zigarette an und sah ihnen nach.
Fünf Minuten später trat ich
auf die Straße hinaus und ging dann einen halben Block weiter, bis zur nächsten
Bar, die noch geöffnet war. Ich bestellte etwas zu trinken und dachte über
alles nach, woran ich jedoch keine große Freude fand.
Hammond hatte nun glücklich
alle Spuren, die wir hatten, zerstört. Am Telefon würde er niemanden antreffen,
und aus dem Schließfach in Pine City würde morgen
niemand etwas abholen. In Schlange Lannigans Organisation würde sich nichts weiter verändern, als daß die Mädchen eine neue
Telefonnummer erhielten und ein neues Schließfach, wohin sie ihr Geld schicken
sollten. Und das alles nur, weil Hammond mit der Tür ins Haus gefallen war.
Ich trank mein Glas aus und
trat wieder auf die Straße. Ich ging zurück ins Hotel Strandräuber und in die kleine
Bar, in der ich schon früher am Abend gesessen hatte. Ein anderer Mann bediente
ihn.
»Bitte, Sir?« fragte er
höflich, als ich mich setzte.
»Scotch mit Eis«, antwortete
ich. »Und etwas Soda. Wo ist denn Joe abgeblieben?«
»Ihm ist schlecht geworden,
Sir. Mußte nach Hause gehen.«
»Wissen Sie, wo er wohnt?«
»Leider nicht, Sir. Ist er ein
Bekannter von Ihnen?«
»Er ist mit einem Freund von
mir befreundet. Jedenfalls wollen wir erst einmal was trinken.«
Wahrscheinlich hatte Joe den
Staub der Straßen dieser Stadt bereits abgeschüttelt und betrachtete sich
selber als einen Staatsfeind minderer Güte oder dergleichen. Dabei hätte er mir
wahrscheinlich weniger zu erzählen gewußt als Frankie. Zum Teufel mit Joe,
dachte ich. Zum Teufel mit Hammond und seinen Wachtmeistern! Und zum Teufel
auch mit Lavers !
Der Barmixer stellte das
Getränk vor mich hin, »Sind Sie Hotelgast, Sir?«
»Ja«, sagte ich.
Er reichte mir den
Quittungsblock und den Bleistift. Ich unterschrieb, setzte meine
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