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Der Unsichtbare Feind

Titel: Der Unsichtbare Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ringers ergeben müsste. »Wie ich Ihnen schon gesagt habe, hatte ich Probleme mit meiner Familie. Besonders mit meinen Eltern. Während ich an meiner Dissertation arbeitete, habe ich ein amerikanisches Mädchen kennen gelernt. Wir leben zusammen. Als meine Eltern zu Besuch kamen, waren sie entsetzt – weil sie Amerikanerin war, weil wir in Sünde lebten, weil es ziemlich offensichtlich war, dass ich nicht vorhabe, nach Kuwait zurückzukehren. Wissen Sie, meine Eltern sind gläubige Moslems, und sie können nichts dergleichen akzeptieren. Schlimmer noch, ich habe einen jüngeren Bruder – er ist zwanzig –, der in meine Fußstapfen treten und auch in Amerika leben will. Mein Vater wirft mir auch das vor.«
    »Welche Sprache haben Sie heute Nacht gesprochen?«
    »Farsi. Meine Familie stammt ursprünglich aus dem Iran. Nach dem Sturz des Schah sind wir nach Kuwait entkommen und sind jetzt Bürger dieses Landes. Während wir alle den lokalen arabischen Dialekt unserer neuen Heimat lernten – ich war ein kleines Kind, und so war es für mich nach einer Weile ganz natürlich –, bestand mein Vater darauf, dass wir zu Hause weiter unsere Muttersprache benutzten. Jetzt greifen wir auf sie zurück, wenn wir allein sind, besonders wenn wir uns streiten, was zurzeit fast immer der Fall ist.«
    »Wird noch in anderen Nationen Farsi gesprochen?«
    »In Afghanistan gibt es einen Dialekt, der sehr ähnlich ist. Ansonsten ist es einzigartig. Warum?«, fragte er, und seine Stimme klang plötzlich eine halbe Oktave höher und ein wenig zu harmlos.
    »Weil ich Ihnen nach meiner Rückkehr aus Honolulu von dem Angriff auf mich berichtet habe, einschließlich einiger Sätze in der fremden Sprache, die ich gehört hatte und an die ich mich erinnern konnte. Haben Sie damals erkannt, dass ich Ihnen Sätze in Farsi zitiert habe, und trotzdem nichts gesagt?«
    Er antwortete nicht. Konnte sie nicht einmal ansehen.
    »Sie wussten es also!«
    »Ja«, gab er zu und sah unglücklich aus.
    »Warum haben Sie es mir dann nicht gesagt?«
    Er schwieg weiter.
    »Azrhan, entweder Sie machen jetzt reinen Tisch oder ich werde für Ihre Entlassung sorgen. Also warum zum Teufel haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie erkannt hatten, welche Sprache ich gehört habe?«
    Er riss den Kopf in die Höhe, und seine schwarzen Augen waren voller Zorn. »In Ordnung, ich werde es Ihnen sagen. Haben Sie eine Ahnung, Dr. Sullivan, was es bedeutet, in diesem Land ein Araber zu sein? Sogar ein ›guter Araber‹ wie ich – ein superschlauer, überdurchschnittlich erfolgreicher, hart arbeitender – wird auf der Straße viel zu oft schief angesehen, von der Polizei aufgefordert, rechts ranzufahren, und ist automatisch das Ziel für besondere Kontrollen, wenn es um die Sicherheit auf dem Flughafen geht.«
    »Azrhan! Ich habe Sie noch nie anders als nach Ihren Fähigkeiten beurteilt –«
    »Das weiß ich. Von Ihnen habe ich nie etwas anderes als Chancengleichheit erfahren. Ich rede von der Welt da draußen.« Er wies auf das Fenster.
    »Aber ich bin nicht verantwortlich für –«
    »Ich hausiere nicht damit, dass ich Iraner bin, okay! Nicht bei Amerikanern. Wenn ich meine ursprüngliche Staatsangehörigkeit angeben muss, sage ich Perser! Warum? Weil, obwohl seit der Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft in Teheran über zwanzig Jahre vergangen sind, die Bilder dieser unglaublichen Krise sich unauslöschlich in die amerikanische Psyche eingebrannt haben. Ich sage Iran, und das ist es, woran sich ein Amerikaner erinnert. Es geschieht etwas vor ihren Augen, egal wer sie sind oder wie intellektuell aufgeschlossen oder liberal sie zufällig sind – als ob innerlich ein Vorhang fällt, und von da an sehen sie mich anders. Wenn ich sage, dass ich aus Kuwait komme, bin ich jedermanns Kumpel, denn sie haben alle solch ein gutes Gefühl, weil sie uns befreit haben, und sie sind so hundertprozentig sicher, dass wir da drüben nicht die Feinde sind.«
    Er wandte seinen Blick ab und sah dumpf brütend auf den Boden seiner Teetasse. Sein Ausbruch hatte ihn außer Atem gebracht, aber während sie ihn beobachtete, hob und senkte sich seine Brust allmählich langsamer.
    »Ich vertrage es einfach nicht, wenn dieser Vorhang fällt, Dr. Sullivan«, fuhr er nach einigen Sekunden fort. Er sprach jetzt leise, nachdem sein Zorn verraucht war. »Besonders wenn es bei Menschen passiert, die mir wichtig sind. Es ist, als ob der Vorhang auf die Beziehung fällt, und irgendwie sind

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