Der Unsichtbare Feind
an dem schleimigen Geschmack, der sich jedes Mal, wenn er schlucken musste, in seinem Rachen sammelte, dass er die fettigen Tröpfchen eingeatmet hatte.
Kathleen hatte einmal das, was jetzt ihre Augen, Lippen und Haut durchdrang, als genetische Würmer beschrieben. Und dennoch fühlte sich die milde Flüssigkeit nicht schädlicher an, als wenn er in seifiges Badewasser getaucht würde. Irgendwie ließ diese Harmlosigkeit die Invasion ihrer Körper noch heimtückischer erscheinen.
Ihre Schreie wurden plötzlich durch einen dumpfen Schlag unterbrochen, bei dem sich sein Magen umdrehte. Er riss die Augen auf. »Nein!«, brüllte er, drehte sich im selben Augenblick herum und versuchte, sich dahin zu winden, wo sie lag. Aber er sah nur auf den Rücken des Mannes, der gerade Kathleens Kopf auf den Boden geschleudert hatte. Er stand über sie gebeugt und hob ihn noch einmal an ihrem kurzen, kastanienbraunen Haar hoch. Die Art, wie der Kopf leblos an seiner Hand pendelte, musste ihn davon überzeugt haben, dass ein zweiter Schlag überflüssig sein würde. Er ließ einfach los, und der Kopf fiel mit einem leisen ›Klonk‹ zu Boden. Dann drehte er sich um und ließ sein Gesicht sehen.
Steele spürte, wie sich sein Magen verkrampfte, bis er glaubte, dass sich sein Innerstes nach außen kehren würde. »Mein Gott!«, flüsterte er kaum hörbar.
Der Anblick vor ihm ergab keinen Sinn. Das Spray musste ihm die Sicht vernebelt haben. Er schüttelte den Kopf und versuchte zu beseitigen, was er für eine Halluzination gehalten hatte. Aber als er wieder hinsah, kam es ihm immer noch so vor, als ob ihm sein Verstand etwas vorgaukelte. Denn hinter dem Sichtfenster starrte ihn immer noch der Blick einer Eule an. Dann streckte Steve Patton die Hand aus, hob seinen Kopf an den Haaren hoch und schleuderte ihn nach hinten. Steele sah einen Blitz, der noch mehr leuchtete als der erste, dann folgte Schwärze. Wie schwarzes Blut, das sich in sein Gehirn ergoss.
21
18.25 Uhr
Azrhan Doumanis Puls schlug schneller, als er durch das Mikroskop blickte. Während der letzten 14 Tage hatte er wie ein Terrorist gedacht. Insbesondere hatte er versucht, sich vorzustellen, wie er jemanden wie Saddam Hussein beraten würde, wie man Hühnergrippe oder H5N1 als Waffe einsetzen konnte. Nicht dass er das vorhatte. Seine Besessenheit war durch eine Flut von Zeitungsartikeln der letzten Zeit ausgelöst worden, die über New Yorks Probleme mit dem West-Nil-Virus berichtet hatten.
Dieses Virus war ein Krankheitserreger, der ursprünglich aus Uganda stammte und bis zum vergangenen Jahr in den USA unbekannt gewesen war. Bislang hatte er 69 Personen im Großraum New York infiziert und sieben von ihnen getötet, und da der Krankheitserreger über Mücken von Vögeln auf Menschen übertragen wird, hatte der Ausbruch ein umstrittenes Programm in Gang gesetzt, bei dem in großem Stil Insektizide versprüht wurden. Die Entdeckung eines infizierten Huhnes in Queens letzte Woche hatte dazu geführt, dass Rufe laut wurden, die Sprühaktion wieder aufzunehmen. Was Azrhan aber interessierte, waren neue Berichte, wonach der irakische Diktator sich selbst einmal damit gebrüstet hatte, einen West-Nil-Virusstamm entwickelt zu haben, den er als Waffe auf die Vereinigten Staaten loslassen würde. Niemand glaubte, dass er wirklich das aktuelle Problem verursacht hatte, auch Azrhan nicht, aber es reichte, dass er sich fragte, was ein Fanatiker dieses Typs mit Hühnergrippe anstellen würde.
Azrhan war immer wieder nach Dienstschluss ins Labor gekommen, um die archivierten Kontrolldias und Elektrophorese-Gele der Rodez-Proben durchzumustern. Er versuchte herauszufinden, ob sie irgendeine Spur enthielten, die zu Pierre Gastons zweitem Geheimnis führte, zu ›etwas noch Tödlicherem‹, wie er in seinem Brief an Dr. Sullivan angedeutet hatte. Das hatte er fast jede Nacht getan, seitdem der Angriff auf das Labor seine Beziehung zu seiner Mentorin so sehr vergiftet hatte.
Denn so sehr diese Verdächtigungen ihn auch verletzten und schmerzten, so hatten die Berichte über Terrorismus der letzten Zeit ihn doch gezwungen, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die Farsi sprechenden Männer mit Helmen und Schalldämpfern eine Dimension dieses Geschäftes aufzeigten, die noch viel dunkler war, als er oder jemand anderes es sich je vorgestellt hatte. Und nachdem er zusehen musste, wie Dr. Sullivan das Material aus Rodez Abschnitt für Abschnitt ohne Ergebnis untersucht hatte,
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