Der Unsichtbare Feind
holte eine Colaflasche aus dem Kühlschrank. »Wenn ich einen Freund hätte, der mit anderen Frauen rummacht, würdest du mir auch sagen, dass ich ihn in die Wüste schicken soll.«
»Lisa!«
»Hast du ihm überhaupt gesagt, was du fühlst?«
»Nicht direkt, aber –«
»Mein Gott, Mutter, wie kann eine Frau, die so clever ist, nur so dumm sein? Und wenn ich daran denke, dass ich mich auf dich verlassen habe, als es um einen Rat in meinem Liebesleben ging.«
Sullivan begann zu lachen. »Ich bin also großartig in Genetik und lausig bei Männern. Das ist peinlich genug, als dass mir nicht auch noch meine allwissende, siebzehnjährige Tochter darüber eine Vorlesung halten sollte –«
»Oh ja, sag mir, wo ich Unrecht habe. Schauen wir die Sache mal an: Er hat andere Frauen, macht dich verrückt, und trotzdem grinst du und erduldest es, weil ihr euch beide versprochen habt, euch nicht weiter aufeinander einzulassen, außer Kumpel zu sein, die zufällig Sex miteinander haben.«
Sie merkte, dass sie rot wurde. »Lisa!«
»Isst du das nicht mehr?«, fragte der Teenager und bediente sich an dem größten Teil dessen, was noch auf dem Teller seiner Mutter lag.
Sullivan musste lachen. »Komm her, du Frau von Welt. Was ich brauche, ist eine Umarmung.«
Ihre Tochter grinste, kam um den Tisch herum und drückte sie ganz fest. »Du verdienst das Beste von einem Mann, Mommy. Du hast mir beigebracht, das zu erwarten. Vergiss es nicht bei dir selbst.«
Sullivan wartete an diesem Abend bis elf Uhr, bevor sie schließlich Patton anrief. Lisa hat Recht, sagte sie zu sich selbst. Ich kann so nicht weitermachen. Es ist Zeit, mit meinem Sexpartner zu reden und zuzugeben, dass ich für ein derartiges Arrangement einfach nicht abgehoben genug bin. Wie konnte ich nur so dumm sein, jemals zu denken, dass es gut für mich sein würde?
Während sie seine Nummer wählte, trieben ihre Gedanken zu jener Nacht vor ungefähr zwölf Monaten zurück, in der sie Liebende wurden. Ihre letzte Beziehung war gerade abgekühlt – die fünfte in ebenso vielen Jahren, die so geendet hatte –, und Steve hatte sie zu einem Benefizdinner mit anschließendem Tanz eingeladen. »Kannst du einen Ratschlag von einem Mann annehmen, der fünfzehn Jahre älter ist als du?«, fragte er sie ernst, während er sie zu Walzerklängen über das Parkett schob.
»Vielleicht.«
»Weißt du, wie du es vermeidest, einen Mann nach dem anderen zu haben, den du nie wirklich mögen oder lieben wirst, weil er nicht halb so brillant ist wie du, Kathleen?«
»Sag's mir.«
»Verscheuche die Einsamkeit, indem du Sex mit einem Freund hast, der genauso viel Grips hat wie du selbst, ohne weitere Bindung. Es wird dich davor bewahren, dich mit Verlierern einzulassen, von denen du dich befreien musst.«
»Und wer könnte dieser Freund sein?«
Plötzlich presste er sie an sich und raubte ihr den Atem, während ihre Schenkel aneinander vorbeiglitten. Die Wildheit in seinen Augen, als er sie ansah, verriet ihr, dass er keine Scherze machte.
»Ja, Steven, ich denke, das würde mir gefallen«, hatte sie gesagt, denn die Idee erschien ihr in ihrer Einfachheit verlockend.
Eine Zeit lang war es wundervoll gewesen, bis seine anderen sexuellen Abenteuer sie zu stören begannen. Obwohl er kein Geheimnis daraus machte, was er tat, und sie wiederholt aufforderte, sich jeden anderen zu angeln, den sie haben wollte, merkte sie zunehmend, dass sie gefühlsmäßig weit mehr an ihn gebunden war, als sie es beide je beabsichtigt hatten. Dennoch widerstrebte es ihr immer mehr, etwas davon zu sagen. Wenn sie es täte, so fürchtete sie, würde es ihr Verhältnis zueinander unmöglich machen, besonders in ihrer Arbeit, und ihre Unruhe wurde noch größer.
»Hallo«, sagte er und riss sie aus ihrer Träumerei. Seine heisere Stimme und sein Atmen waren durch den Lautsprecher kaum zu hören.
In ihr überschlug sich alles. Sie waren so oft miteinander im Bett gewesen, dass sie wusste, wie er sich anhörte, wenn er gerade mitten im Liebesakt war. Sie zwang sich zu lachen. »Entschuldigung, Steve. Ich nehme an, ich habe dich gerade in einem schlechten Moment erwischt.«
Er lachte schmutzig in sich hinein. »Überhaupt nicht. Das ist ziemlich aufregend, Kathleen. So eine Art Fantasie, die ich hatte.« Sein Atem wurde rauer.
»Gute Nacht, Steve«, sagte sie, kämpfte gegen den Impuls, ihn zu fragen, wen er bei sich hatte, und legte den Hörer heftiger auf, als sie es beabsichtigt hatte.
Sie
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