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Der Unsichtbare Feind

Titel: Der Unsichtbare Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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verließ das Bett und lief in ihrem kleinen Schlafzimmer auf und ab. Sie war hin und her gerissen zwischen Gefühlen der Eifersucht und der Wut auf ihn, dass er sie so aus der Fassung brachte. Es war umso frustrierender, als sie sich eingestehen musste, dass sie ihm nichts wirklich vorwerfen konnte. Immerhin hatte er genau das geliefert, was er versprochen hatte – Sex mit einem Freund, ohne weitere Bindung.
    »Verdammt!«, murmelte sie. »Zur Hölle mit ihm!«
    Nachdem sie ein paar Dutzend Runden durch den Raum gedreht hatte, entschloss sie sich, Lisas Rat zu folgen und ›den Typen in die Wüste zu schicken‹.

4
    Der Vorabend des Dritten Jahrtausends
Rodez, Frankreich.
    Der massive, steinerne Turm erhob sich bedrohlich über Pierre Gaston, als er an der riesigen Kathedrale vorbeieilte. Er schien über dem Nebel zu schweben. Ihre Bleiglasfenster glühten in sanften Blau-, Rot- und Grüntönen, die wie Wasserfarben im Grau der Umgebung zerflossen. Dennoch sah er in diesem Anblick keine Schönheit. Vielmehr bedrückte ihn die Masse des Bauwerks, und er hüllte sich noch tiefer in seinen Mantel, als er es schon wegen der Kälte tat.
    Ihm war bewusst, dass nicht nur das Wetter und die mittelalterlichen Monumente seine verdrießliche Stimmung hervorriefen. Der wirkliche Grund, warum er in dieser Nacht der Nächte, die in tausend Jahren nur einmal vorkam, genau wie sonst auch von der Arbeit zu einem einsamen Mahl und einer ebenso einsamen Wache vor dem Fernseher nach Hause eilte, verbitterte ihn so sehr, dass ihn der Magen schmerzte. Es würde noch erbärmlicher als üblich sein, wo er doch der ganzen Welt zusehen würde, wie sie eine Party feierte, zu der er nicht eingeladen war. Mit 42, unverheiratet, und von seinem Patron in dem Labor, wo er seit zehn Jahren arbeitete, als durchschnittliches Talent abgestempelt, brauchte er solch zusätzliche Hinweise auf die Mittelmäßigkeit seines Lebens nicht.
    Er versuchte die Leute zu ignorieren, die an ihm vorbeizogen, während er mühselig die schmale, mit Kopfstein gepflasterte Straße entlangtrottete, die zu seiner Wohnung führte. Aber ihr fröhliches Schnattern und Lachen und die guten Wünsche, die sie sich gegenseitig zuriefen, hallten von den jahrhundertealten Steinwänden wider und folgten ihm nach, bis er nicht mehr anders konnte, als sich vorzustellen, wie sie nach Hause eilten, um sich auf Bälle und Partys vorzubereiten. Sogar das Rattern der metallenen Rollläden, die überall im Viertel heruntergelassen wurden, störte ihn, denn sie gaben ihm einen Hinweis darauf, dass die Ladeninhaber früh schlossen, denn auch sie hatten noch etwas Besonderes vor. Der Anblick der Kellner hinter den Fenstern der Bistros und Restaurants, die weiße Tischtücher ausbreiteten und Gedecke auflegten und in Vorbereitung auf die Feierlichkeiten hin und her eilten, deprimierte ihn noch mehr.
    Er erreichte sein Haus – ein schmuddeliges, verputztes Gebäude, das einem Schuhkarton ähnelte und in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts ohne Rücksicht auf die umliegende Architektur gebaut worden war. Er schlug die schwere Eingangstür hinter sich zu, hartnäckig darauf bedacht, auch das kleinste der Jubelgeräusche auszusperren, sodass sie nicht in den schäbigen Hausflur mit seinen muffigen Gerüchen eindringen und dadurch sein Quartier noch unerträglicher machen würden. Er schleppte sich die Treppe hinauf, deren Stufen mit den fadenscheinigen Resten eines ehemals kastanienbraunen Teppichs bedeckt waren, holte seinen Schlüssel heraus und roch sofort den Duft ihres Parfüms.
    Es schwebte in der abgestandenen Luft vor seiner Tür.
    Sie ist da!, dachte er. Sie musste mit dem Schlüssel, den er ihr gegeben hatte, die Wohnung aufgeschlossen haben.
    Er drehte auf der Stelle den Schlüssel herum und ging hinein. »Ingrid?«, fragte er leise. Keine Antwort, nur die Stille der leeren Räume. Er schaltete das Licht ein. Die tristen, verloren dastehenden Möbel seines Wohnzimmers begrüßten ihn. Ein Blick in Schlafzimmer, Küche und Bad vervollständigte seine Suche. Trotzdem blieb seine freudige Erregung. Sie war nach Rodez zurückgekehrt, und das bedeutete, dass er sie mit Sicherheit sehen würde. Allerdings war er auch verwirrt. Sie war in seine Wohnung gekommen und war wieder gegangen. Warum war sie nicht geblieben, wie sie es sonst getan hatte? Sie musste gewusst haben, dass er ihre Anwesenheit bemerken würde, sobald er ihr Parfüm erkannte – er hatte es für sie gekauft, als

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