Der Unsichtbare Feind
denken, als dem Mann hinter ihr zu entkommen. Sie rappelte sich auf, lief blind in die Dunkelheit, nur um gleich gegen eine Treppenstufe zu stoßen und wieder auf allen vieren zu landen, wobei sie die Luft in ihren Lungen in einem lauten Schrei ausstieß. Im Nu war sie wieder auf den Beinen und flog die Treppe hinauf. Oben angekommen, lief sie durch die erstbeste Tür, die sie wahrnahm, schloss sie hinter sich und lauschte.
Sie hörte seine Schritte, als er das Haus betrat.
Voller Panik sah sie sich in dem vom Mond beleuchteten Raum um, suchte nach einem Platz, wo sie sich verstecken konnte – und entdeckte Hacket, der auf einem breiten Sofa saß und sie anstarrte.
Sie unterdrückte einen Schrei und wollte schon wieder in den Flur hinausstürzen, bevor er sie ergreifen konnte, als ihr auffiel, wie still er war.
Mit angehaltenem Atem wagte sie sich auf Zehenspitzen vor, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Seine Arme hingen an ihm herunter, und in dem geschlossenen Raum erregte der säuerliche Geruch von Urin, vermischt mit dem leicht süßlichen Gestank von Exkrementen, eine so starke Übelkeit in ihr, dass sie würgen musste. Sie überwand sich, in die Falten unter seinem Hals zu greifen und nach dem Puls zu suchen, aber als sie ihn berührte, sank sein Kopf nach vorne auf ihre Hand wie der einer Stoffpuppe, und ein Übelkeit erregendes Knacken kam aus seinem Genick.
Die dumpfen Schritte ihres Verfolgers, der die Treppe hinaufstürmte, rissen sie aus ihrem Schock, und sie tauchte sofort hinter dem Sofa unter, auf dem Hackets Leichnam saß. Während sie sich in seinen Schatten kauerte und lauschte, wie sich der bewaffnete Eindringling dem Zimmer näherte, glaubte sie in der Ferne auch eine Sirene zu hören, schwach wie ein Seufzen im Wind. In der nächsten Sekunde wurde die Tür aufgestoßen, und er kam herein.
Von ihrem Versteck aus konnte sie ihn nicht sehen, aber da die Holzbohlen nicht knarrten, war klar, dass er vollkommen still stand. Sie umklammerte die Waffe, hörte seinen schweren Atem und versuchte selbst, ganz ruhig Luft zu holen. Sicher wird er hören, dass die Polizei kommt, dachte sie, und einfach weggehen.
Aber er rührte sich nicht von der Stelle.
Bitte geh, betete sie stumm.
Immer noch keine Reaktion.
Himmel, er muss doch wissen, dass die Cops gleich da sind. Warum rennt er nicht weg?
Abrupt ging er an dem Sofa vorbei zum Fenster hinüber. Er stand dort mit dem Rücken zu ihr, die Pistole in der rechten Hand, und sah hinaus.
Mein Gott, dachte sie, den Blick starr auf seine Silhouette vor dem schwachen Licht gerichtet. Sie hatte keine Ahnung, ob der Schatten, in dem sie lag, tief genug war, dass er sie nicht sah, wenn er sich umdrehte. Sie musste wenigstens ihr Gesicht verbergen, ohne dass er ihre Bewegung bemerkte. Er stand keine drei Meter von ihr entfernt, sodass das kleinste Rascheln ihrer Kleidung genügen würde, um ihn auf sie aufmerksam zu machen. So entschloss sie sich stattdessen, ihn zu verwunden.
Mit angehaltenem Atem hob sie langsam die Waffe, zielte mitten auf den oberen Teil seines Rückens, bewegte die Mündung dann 15 Zentimeter nach rechts und zielte auf seine Schulter. Sie atmete langsam aus und drückte auf den Abzug.
Er bewegte sich nicht.
Beinahe hätte sie verzweifelt aufgeschrien, behielt aber die Nerven und ließ ihren Daumen nach einem der Knöpfe suchen, den sie auf dem Griff gesehen hatte. Als sie einen fand, der ihr viel versprechend erschien, drückte sie ihn.
Nichts.
Sie drückte noch einmal auf den Abzug.
Er blieb unbeweglich.
Ein weiterer Versuch, die Waffe zu entsichern, erwies sich als ebenso fruchtlos. Voller Entsetzen, dass er sich gleich umdrehen und sie sehen würde, legte sie die Waffe geräuschlos neben sich auf den Boden und senkte dann ihren Kopf, bis sie ihn in ihren Armen über dem Boden verbergen konnte.
Sie wartete und wagte nicht einmal, zu ihm hinzuschielen. Sie hörte nichts als den Wind draußen und die immer lauter werdende Polizeisirene. Wenn du mich umbringen musst, betete sie, dann schieß mir sauber in den Kopf.
9
Steele erwachte durch den Klang zahlreicher Sirenen, die durch die Nacht rasten und irgendwo in nicht allzu großer Entfernung verstummten. Nachdem auch die letzte nicht mehr zu hören war, lauschte er dem Donnern der Wellen, die zehn Meter unter dem offenen Balkon vor dem Schlafzimmer über die Felsen rollten, und dem Rascheln des Windes in den Palmblättern. Von Zeit zu Zeit ließen die Windstöße die steifen,
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