Der Unsichtbare Feind
vor der Tür stand, und suchte verzweifelt nach einem Versteck. Ihr Blick wanderte in jede Ecke, in jeden dunklen Winkel.
Sie entdeckte keines.
Der Mann am Zaun rief etwas, und sie hörte einen Antwortruf, der irgendwo aus den Feldern kam.
Gott sei Dank, dachte sie und war erleichtert, einen Aufschub zu bekommen. Aber sobald ihnen klar wäre, dass sie sich nicht im Gras versteckte, würden sie die Scheune kontrollieren. Es ist Zeit, die Kavallerie zu rufen, entschied sie.
Sie kramte in ihrer Handtasche, holte ihr Handy heraus und wählte die 911. »Ich bin auf der Farm eines Mannes namens Hacket, ganz in der Nähe der Küstenstraße nördlich von Kailua«, flüsterte sie in das Mikrofon und beobachtete dabei weiter den Mann am Zaun, »und ich werde von zwei Männern verfolgt. Sie haben beide Waffen mit Schalldämpfern!«
»Bleiben Sie in der Leitung!«, wies die Polizistin in der Einsatzzentrale sie an. »Die örtliche Polizei wird in drei Minuten bei Ihnen sein. Können Sie sich irgendwo verstecken?«
Der Mann am Zaun drehte sich in ihre Richtung und musterte offenbar die Rückseite der Scheune. Er schwang sein Bein über den Zaun, sprang auf den Boden und bewegte sich auf die Tür zu, die sie gerade festgehakt hatte.
»Mein Gott, er kommt«, quiekte sie in das Mikrofon.
»Haben Sie eine Waffe?«, fragte die Polizistin.
»Nein!«
»Wo verstecken Sie sich?«
»In einem Teil der Scheune. Die Tür ist mit einem Haken verschlossen, aber er kann sie leicht aufbrechen und mich sehen, und es gibt keinen anderen Ausgang.« Sie drückte sich gegen die Wand, jedoch so, dass sie ihn noch im Blick behalten konnte, während er näher kam.
»Weiß er schon, dass Sie da sind?«
»Er vermutet es. Ich kann nicht mehr reden, sonst hört er mich.«
»Noch eine Frage: Geht diese Tür nach innen oder außen auf?«
»Nach außen.«
»Dann hören Sie bitte genau zu! Suchen Sie sich etwas Schweres – ein Werkzeug, eine Eisenstange oder auch eine Holzlatte. Wenn Sie das haben, drücken Sie sich auf der Seite mit den Türangeln an die Wand und machen sich bereit, ihm mit Schwung einen Schlag zu verpassen, womit auch immer, aber nicht, bevor Sie seinen Kopf sehen, wenn er ihn hereinsteckt –«
Sullivan klappte das Handy zu, legte es zusammen mit ihrer Handtasche auf den Boden und griff sich eine Spitzhacke. Kaum hatte sie sich in Position gestellt, als der Mann heftig an der Tür rüttelte. Es folgte eine Reihe von lauten Stößen, als er mit dem Stiefel gegen die Tür trat, und die Bretterwand hinter ihr schwankte so heftig, dass sie sich mit dem Fuß dagegenstemmen musste, um nicht nach vorn geschleudert zu werden.
Er wird mich sehen und erschießen, bevor ich ihm eins überziehen kann, dachte sie, und bei jedem Schlag wurde ihre Panik größer. Oder wenn es mir doch gelingt, ihn zu erwischen, wird mich sicher der andere umbringen.
Krachend und splitternd wölbte sich eines der Bretter neben dem Haken nach innen. Nach ein paar weiteren Schlägen gab es vollständig nach, und eine Hand streckte sich durch die Öffnung. Während sie herumtastete, bewegten sich die Finger immer näher an den Haken und die dazugehörige Öse. Kathleen umfasste die Hacke noch fester, hielt sie dabei waagerecht, stellte sich wie ein Baseballspieler am Abschlagpunkt auf und schwang die Hacke mit voller Kraft durch. Sie traf nicht ganz in der Mitte, aber die Spitze des gebogenen Stahlteils drang wie Butter in das Fleisch ein, durchbohrte die Knochen und grub sich in das Holz. Die Finger öffneten sich augenblicklich, und auf der anderen Seite zerriss ein qualvoller Schrei die Luft. Sie sah, wie sich der aufgespießte Eindringling krümmte und sich um das Metall wand wie eine sterbende Spinne.
Da ihr klar war, dass er immer noch mit der freien Hand seine Waffe benutzen konnte, verschwendete sie keine Zeit, hakte die Tür auf und drückte mit aller Kraft dagegen. Seine Schmerzensschreie verdreifachten sich, als der Wind die breite Tür erfasste, sie von ihr wegdrückte und ihn mit sich zerrte. Sie konnte durch den Spalt zwischen dem unteren Rand der Tür und dem Boden seine Füße wegrutschen sehen, während er sich bemühte zu verhindern, dass die Tür noch weiter aufschwang. Unfähig, sich lange gegen die Kraft eines so großen Segels zu stemmen, verlor er diesen Kampf schließlich. Der Türflügel begann sich schneller in den Angeln zu drehen, und er trat wild nach hinten, um sich aufrecht zu halten, jedoch nicht schnell genug. Schließlich
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